Terror in Afghanistan Vizepräsident Kadir erschossen
06.07.2002, 12:22 UhrDer afghanische Vizepräsident Hadschi Abdul Kadir ist bei einem Attentat getötet worden. Kadir sei vor seinem Ministerium im Zentrum der Hauptstadt Kabul von zwei Bewaffneten erschossen worden, sagte Polizeichef Basir Slangi. Die afghanische Regierung unter Vorsitz von Staatspräsident Hamid Karsai setzte eine Untersuchungskommission zur Aufklärung des Attentats ein.
Der Kommission gehören unter anderem Innenminister Mohammed Wardak und der Chef der Nationalen Sicherheitsbehörde an. In einer Regierungserklärung wird der tödliche Anschlag als "terroristischer Angriff" verurteilt. Die Trauerfreier für den ermordeten Vizepräsidenten soll am Dienstag stattfinden.
Ein Sprecher des Außenministeriums in Kabul dementierte Berichte über Festnahmen. Es seien lediglich Augenzeugen des Attentats vernommen worden. Bislang hat sich niemand zu der Tat bekannt. Kadir war vor seinem Ministerium von zwei Männer in seinem Auto erschossen worden. Auch sein Fahrer starb im Kugelhagel. Die Täter konnten fliehen.
Führende Rolle beim Sturz der Taliban
Kadir gehört wie Präsident Hamid Karsai dem paschtunischen Volk an. Er war zugleich Gouverneur der Provinz Nangarhar und spielte eine führende Rolle beim Sturz der Taliban im vergangenen Jahr. Seinen Bruder, den legendären Oppositionsführers Abdul Hak, hatten die Taliban im Oktober 2001 gefangengenommen und getötet.
Kadir war erst während der Großen Ratsversammlung Loja Dschirga in die Regierung von Karsai berufen worden. Der Paschtune gehörte zur sogenannten Nordallianz, galt aber innerhalb der Allianz als unabhängig. Die Regierung ist seit Mitte Juni im Amt und soll bis zu den ersten allgemeinen Wahlen Ende 2003 die Geschäfte ausüben. Ihre unter den Volksgruppen ausgewogene Zusammensetzung gilt als entscheidende Voraussetzung für einen Erfolg der Bemühungen, die ehemaligen Kriegsparteien des Landes miteinander zu versöhnen.
"Dies ist ein Terror-Akt"
Außenamtssprecher Omar Sammad sagte in Kabul. "Dies ist ein Terror-Akt", sagte er. "Feinde des Volkes " seien dafür verantwortlich. In der afghanischen Haupstadt wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.
US-Präsident George W. Bush sprach Karsai sein Beileid aus. "Die USA trauern um einen Mann, der für Freiheit und Stabilität in einem Land kämpfte, das er liebte", sagte Bush nach Angaben von US-Medien. Einen terroristischen Hintergrund schloss Bush nicht aus. Der Anschlag habe die USA darin bestärkt, beim Aufbau von Sicherheit in dem Land zu helfen.
In Berlin äußerte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, er fürchte nach dem Mord um den Frieden in Afghanistan: "Dieses Verbrechen ist auch ein Anschlag auf den gerade erst begonnenen Friedens- und Anschlag auf den gerade erst begonnenen Friedens- und Demokratisierungsprozess in Afghanistan".
Gefährdetes Kabinett
In den vergangenen Monaten hatte es in Afghanistan wiederholt Attentate auf Regierungsmitglieder gegeben. Im Februar war der afghanische Luftfahrtminister Abdul Rahman am Kabuler Flughafen ermordet worden. Er fiel nach den Erkenntnissen der Regierung einem Komplott hoher Staatsbediensteter zum Opfer. Dagegen war Verteidigungsminister Mohammed Fahim im April in Dschalalabad einem Attentat entgangen. Fünf Menschen starben damals.
Quelle: ntv.de