Berlin Tag & Macht Wadephul hängt sich selbst auf, Bremen spült Millionen nach
Eine Kolumne von Marie von den Benken
Ego-Kunst fürs Außenministerium, Bau-Turbos für die Republik und Millionen für Klo-Größenwahn. Oder: Wadephul posiert, Schnieder baut, Bremen spült. Eine Woche zwischen Eitelkeit und Abwasserluxus. Und wo sind eigentlich Joko und Klaas?
Eine Woche geht so schnell vorüber. Man sieht sich achtmal hintereinander alle "Harry Potter" Filme am Stück an und zack: Die Woche ist vorbei. Die ausgehende Woche allerdings verflog sogar noch schneller. Top-News jagte Top-News, die Medienoutlets kamen mit den Sondermeldungen gar nicht mehr nach. Selbst ProSieben beendete vor Schreck das langjährige Erfolgsformat "Joko und Klaas - Das Duell um die Welt". Und das, obwohl es bei dem Duell gar nicht um die Tageszeitung "Welt" geht.
Für alle, die Fernsehsender ignorieren, die der Berlusconi-Familie gehören: Joko und Klaas sind neben Heidi Klum und ihrem Model-Assessmentcenter "Germany's Next Topmodel" die Aushängeschilder schlechthin von ProSieben. Anders als die Modelmama aus der Fashion-Hochburg Bergisch-Gladbach, die ihre begehrten Fotos üblicherweise nur von Februar bis Juni an durcheuphorisierte Baumarkt-Eröffnungs-Aspirantinnen verteilt, flanieren Joko und Klaas aber saisonübergreifend über die Prime-Time-Slots des Unterföhringer Qualitätsfernsehsenders.
Entsprechend stolz und ganzjährig wirbt der Sender mit beiden Gesichtern für sich: Joko und Klaas im TV, Joko und Klaas auf Plakaten, Joko und Klaas in Programm-Teasern, Joko und Klaas auf Online-Bannern, Joko und Klaas in Podcasts, Joko und Klaas auf Autogrammkarten, Joko und Klaas in Werbeflyern, Joko und Klaas auf Merchandising-Artikeln. Joko und Klaas sind einfach überall. Hin und wieder traue ich mich nicht mal mehr, meinen Kühlschrank aufzumachen. Aus Angst, wenn das Licht angeht, hocken da Joko und Klaas und erklären mir, warum ich am Abend ProSieben einschalten muss.
Das Klaas ist halb leer
Diese Woche jedoch blieben sie ungesehen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Nachrichtenfrequenz dichter war als das Haupthaar von Wolfram Weimer. Gut, vielleicht waren Joko und Klaas auch damit beschäftigt, einen offenen Brief an den Bundeskanzler zu formulieren, in dem sie einen sofortigen Stopp des Genozids im Sudan fordern und die Einstellung aller Waffenlieferungen an die Vereinigten Arabischen Emirate.
Statt der beiden hochpolitischen Vordenker der Generation zwischen Angela Merkel und Philipp Amthor gab es jedefalls brisante Top-News im Minutentakt. Hätte ich für jedes Mal, wenn ich diese Woche für jede Breaking News einen Euro bekommen hätte, könnte ich jetzt das ZDF kaufen. Dann würde Markus Lanz für den Rest seiner Karriere jeden Abend zusammen mit Tino Chrupalla die Lieblingsgedichte von Til Schweiger aufsagen.
Aber man kann nicht alles haben. In Anbetracht dieser spektakulären Nachrichtenreizüberflutung bietet es sich dafür aber an, in dieser Kolumne, quasi dem ProSieben der Polit-Analysetools, einen genaueren Blick auf die Newsdesk-Perlen der Woche zu werfen. Eine klare politische Einordnung tagesaktueller Geschehnisse ist immer hilfreich, um in hektischen Schlagzeilen-Zeiten nicht die Übersicht zu verlieren. Hier also eine kurze Peer-Review der Top-Drei-Nachrichten dieser Woche:
"Wadephul-Porträt soll künftig deutsche Auslandsvertretungen zieren"
Potzblitz, denkt man da. Ich war ja bisher davon ausgegangen, in Zeiten von Ukraine-Krieg, Nahostkonflikt oder diplomatischer Entfremdung von den USA gäbe es für einen Außenminister womöglich wichtigere Themen zu erledigen, als dafür zu sorgen, sein eigenes Konterfei künftig in jeder Deutschen Botschaft und jedem Konsulat auf dem Planeten zu platzieren.
Zurecht zeigen sich Medien und Öffentlichkeit irritiert. Ist es Eitelkeit, die Johann Wadephul zu dieser skurrilen Entscheidung treibt? Hält er sich für den George Clooney der Polit-Szene? Hinter vorgehaltener Hand, so schreibt das außenpolitische Branchenmagazin "Bild", frage sich mancher Diplomat, was wohl los gewesen wäre, "wenn Annalena Baerbock sich das getraut hätte."
Die Älteren erinnern sich womöglich: Baerbock war Wadephuls Vorgängerin im Außenministerium. Wobei bei ihr die Ikonisierung der eigenen Person sogar noch halbwegs logisch gewesen wäre. Immerhin - zumindest, wenn man den Generalexperten aus einschlägigen AfD-Chats Glauben schenkt - hat Baerbock in ihrer kurzen Amtszeit so etwa das Bruttoinlandsprodukt von Spanien in Visagisten, Friseure und Fotografen investiert. Da wäre eine Zweitverwertung des teuren Ergebnisses vom Bundesrechnungshof sicher wohlwollend aufgenommen worden.
Das Ministerium selbst übrigens hat sich inzwischen ebenfalls zum Portrait-Egotrip seines obersten Dienstherrn geäußert. Das Aufhängen eines Wadephul-Konterfeis sorge "für bessere Verbindungen zwischen Ministerium und Auslandsvertretungen". Nun, ich bin keine Expertin, aber ich hätte jetzt vermutet, es wäre eventuell gute Außenpolitik, die für eine bessere Verbindungen zwischen Ministerium und Auslandsvertretungen sorgt.
Die viel entscheidendere Frage ist aber ohnehin: Warum jetzt noch Götzenbilder von Wadephul aufhängen? Wenn seine außenpolitische Geisterfahrt so weitergeht, ist er seinen Job ohnehin los, noch bevor das letzte Wadephul-Meisterwerk den 3D-Drucker verlassen hat. Dann bekommen wir endlich einen fähigen Außenminister. Jens Spahn vielleicht. Da soll noch mal jemand sagen, in politischen Kolumnen gäbe es nie etwas zu lachen.
"Regierung will Bau-Turbo für Straßen zünden"
Nach Johannes Wadephul, der diese Woche den Beau-Turbo zündet, direkt der zweite Geniestreich der Bundesregierung. Im letzten Koalitionsausschuss vor der Weihnachtspause möchte Verkehrsminister Rüdiger Müller (CDU) sein Reformpaket anpreisen: mehr Tempo bei der Sanierung von Brücken und Autobahnen.
Na, haben Sie es bemerkt? Natürlich: Unser Verkehrsminister heißt gar nicht Rüdiger Müller, sondern Patrick Schnieder. Und der hat in seiner Amtszeit bereits so viele herausragende Erfolge vorzuweisen, dass ein tolldreister Namens-Test bei den Leserinnen und Lesern dieser Hochglanzkolumne für politische Mitrede-Kompetenz selbstverständlich ins Leere läuft.
Unabhängig davon stellt sich folgende Frage: Benötigt man in Zeiten von Klimawandel, CO2-Einsparungs-Maxime und der Notwendigkeit zur Attraktivitätssteigerung öffentlicher Verkehrsmittel unbedingt mehr und modernere Straßen? Verkehrswende sieht jedenfalls anders aus. Andererseits: Schnieder möchte immerhin kein Portrait von sich an jede Fußgängerampel hängen, um für eine bessere Verbindungen zwischen Ministerium und Verkehrsteilnehmern zu sorgen.
"Bremen gönnt sich Millionen-Klo aus Sondervermögen"
Was viele nicht wissen: Bremen, die beschauliche 580.000 Einwohner-Stadt mit ehemaligem Top-Fußballverein, firmiert als eigenes Bundesland. Dort führt es nur wenige Rankings an. Ganz vorne mit dabei ist Bremen eigentlich nur in einer Kategorie: Verschuldung pro Bürger. Die Heimat der Stadtmusikanten plagen Schulden von fast 25 Milliarden Euro. Insofern hatte ich bislang angenommen, das größte Millionen-Klo in Bremen sei der Landeshaushalt.
Eher verwunderlich daher, dass sich ausgerechnet die Geldverbrennungsmaschine von der Weser die TÖT gönnt, die teuerste öffentliche Toilette. 10 Millionen Euro laufende Kosten verschlingt das noble Notdurft-Verrichtungs-Schmuckstück in 25 Jahren. Hinzu kommen Anschaffungskosten von einer Million Euro. Der Fachbegriff für eine derartige Budgetplanung lautet: Pissoir-Politik.
Für das Geld könnte man nämlich die acht Passanten, die sich heutzutage überhaupt noch in Innenstädten aufhalten, per Privatjet ins Berliner Adlon einfliegen und dort ihre Defäkation erledigen lassen. Wobei: Das Bremer Premium-Klo ist gendergerecht aufgeteilt. Konkret bedeutet das: "Es gibt sowohl ein Unisex-Angebot als auch ein Angebot ausschließlich für Frauen beziehungsweise FLINTA-Personen."
Die Abkürzung FLINTA steht für Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nicht-binäre, Trans und Agender Personen. Immerhin ist die Bremer TÖT damit das erste staatlich geförderte Projekt, das zuverlässig AfD-Wähler fernhält. So könnte das 11-Millionen-Klo sogar als Pilotprojekt für weitere Einsatzorte fungieren, an denen man sich weniger AfD wünscht. Den Reichstag zum Beispiel.
Drei Meldungen für ein Halleluja
So viel zu den drei sorgfältig kuratierten Nachrichten-Highlights der vergangenen Woche. Nächsten Donnerstag geht es dann auch wieder um relevantere Themen als Stuhlgang in Bremen oder den Selbstportrait-Fetisch von Außenministern. Versprochen.