Kämpfe trotz Ramadan-Feiertage Waffenruhe im Sudan rückt in weite Ferne
21.04.2023, 08:53 Uhr Artikel anhören
RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo vor Anhängern im Sommer vergangenen Jahres.
(Foto: REUTERS)
Noch immer erschüttern Bombenangriffe und Artilleriebeschuss die sudanesische Hauptstadt Khartum. Die USA geben den Tod eines Staatsbürgers bekannt. Die paramilitärischen Einheiten stimmen eigentlich einer Waffenruhe zu, doch die sudanesischen Streitkräfte gehen nicht darauf ein.
In der sudanesischen Hauptstadt Khartum sind die Kämpfe laut Medienberichten trotz der beginnenden Feierlichkeiten zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan weitergegangen. Die mit den sudanesischen Streitkräften rivalisierenden paramilitärischen Einheiten RSF hatten zuvor erneut einer Waffenruhe ab Freitagmorgen zugestimmt. "Der Waffenstillstand fällt mit dem gesegneten Eid al-Fitr zusammen, um humanitäre Korridore für die Evakuierung der Bürger zu öffnen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Familien zu besuchen", hieß es in einer Mitteilung der Gruppe auf Twitter. Eine Bestätigung der Waffenruhe durch das sudanesische Militär blieb jedoch aus. Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan, erwähnte keinen Waffenstillstand in einer vorab aufgezeichneten Rede, die auf der Facebook-Seite der Armee veröffentlicht wurde.
UN-Generalsekretär António Guterres und die Arabische Liga hatten dazu aufgerufen, die Feiertage für eine Waffenruhe zu nutzen. Seit Samstag kämpft die Armee gegen die einst verbündete paramilitärische Einheit RSF um die Macht in dem nordostafrikanischen Land. Die Zahl der Toten stieg nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf rund 330, 3200 Menschen wurden bislang verletzt. Auslöser der Gewalt war laut Beobachtern ein Streit über die Eingliederung der RSF in das Militär als Teil des Übergangs zu einer zivilen Regierung im Sudan.
Tod eines US-Bürgers
Derweil bestätigte die US-Regierung den Tod eines amerikanischen Staatsbürgers im Sudan. Man stehe in Kontakt mit der Familie, teilte das US-Außenministerium mit. Weitere Details nannte das Ministerium nicht. Offen waren die Identität der Person und wie diese gestorben ist.
Die US-Regierung rief erneut zu einem Ende der Gewalt in dem Land auf. US-Außenminister Antony Blinken tauschte sich nach Angaben seines Ministeriums am Donnerstag getrennt mit De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, und RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo aus. Er habe in den Gesprächen beide zu einem Waffenstillstand aufgefordert.
Kritik an Informationspolitik der Bundesregierung
Außenministerin Annalena Baerbock hatte am Donnerstagabend auf Twitter ebenfalls zu einer Feuerpause aufgerufen. Die Bundesregierung tue alles in ihrer Macht Stehende, um den deutschen Staatsangehörigen im Sudan zu helfen. Einen ersten Versuch, Bundesbürger außer Landes zu bringen, hatte die Bundeswehr am Mittwoch aus Sicherheitsgründen abbrechen müssen. Ein Plan für den Einsatz der Luftwaffe dazu wurde wegen der unsicheren Lage in der umkämpften Hauptstadt Khartum gestoppt.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul, kritisierte derweil die Informationspolitik der Bundesregierung zu einem möglichen Evakuierungseinsatz im Sudan. Die Bundeswehr habe bewiesen, dass sie solch schwierige Einsätze durchführen könne, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es ist aber wichtig, dass die Bundesregierung in einer solch kritischen Phase den engen Austausch mit dem Parlament sucht, auch zu Fragen einer etwaigen Mandatierung. Die bisherige Informationspolitik ist inakzeptabel."
Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen
Seit Tagen sitzen Tausende Einwohner Khartums nach Angaben der Vereinten Nationen in ihren Häusern fest, viele von ihnen ohne Strom oder fließendes Wasser. Nahrungsmittel, Benzin und Medikamente gingen aus. Nur wenige Läden hatten am Donnerstag geöffnet, die Märkte der Stadt waren geschlossen. Zudem sei die Gesundheitsversorgung so gut wie zusammengebrochen, teilte das sudanesische Ärztekomitee mit. Augenzeugenberichten zufolge lagen Leichen auf den Straßen der Hauptstadt.
Die Welthungerhilfe warnte vor "einer humanitären Tragödie". Auch das Welternährungsprogramm (WFP) wies darauf hin, dass Millionen weitere Sudanesen durch den aktuellen Konflikt in Not geraten könnten. Man habe seine Nahrungsmittel- und Bargeldhilfe vorübergehend eingestellt. Das Kinderhilfswerk UNICEF teilte mit, die eskalierende Gewalt gefährde Millionen von Kindern. Mindestens neun Kinder wurden Berichten zufolge bei den Kämpfen getötet und mehr als 50 verletzt.
In den vergangenen Tagen hatten zudem die Übergriffe auf Hilfsorganisationen und Mitarbeiter internationaler Organisationen zugenommen. Besonders in der Region Darfur im Westen des Landes meldeten Nichtregierungsorganisationen, dass Büros und Lagerhäuser geplündert würden. Laut WFP wurden in Süd-Darfur rund 4000 Tonnen Nahrungsmittel für hungernde Menschen gestohlen.
Der gold- und ölreiche Sudan wird seit 2019 von einer militärischen Übergangsregierung regiert, die diesen Monat eigentlich einen Prozess zur Demokratisierung einleiten sollte. Aufgrund der immer wiederkehrenden Gewalt und zahlreicher Konflikte waren bereits vor Beginn der aktuellen Gefechte knapp 16 Millionen der rund 46 Millionen Einwohnern des Landes auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts