Politik

Aleppo-Talk bei "Anne Will" Wann wird Syrien endlich Frieden finden?

Diesmal bei Anne Will (Mitte) zu Gast: Norbert Röttgen, Harald Kujat, Katharina Ebel, Wladimir Grinin und John Kornblum (von links nach rechts)

Diesmal bei Anne Will (Mitte) zu Gast: Norbert Röttgen, Harald Kujat, Katharina Ebel, Wladimir Grinin und John Kornblum (von links nach rechts)

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

Während im eingeschlossenen Aleppo und im Rest des Landes jeden Tag Menschen sterben, bombardieren sich die Großmächte Russland und USA gegenseitig mit Schuldzuweisungen. Bei "Anne Will" sieht das am Sonntag nicht anders aus.

Seit der Zerstörung des UN-Hilfskonvois vor Aleppo am 19. September ist die Hoffnung auf Frieden in Syrien in noch weitere Ferne gerückt als ohnehin schon: Die Vereinigten Staaten beschuldigten Russland, einen Luftangriff auf den Konvoi geflogen zu haben, Außenminister John Kerry brach in der Folge die Gespräche mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ab. Während auf geopolitischer Ebene die Streitereien der Großmächte kein Ende nehmen, geht das Sterben im eingeschlossenen Aleppo unvermindert weiter. Anne Will möchte von ihren Gästen deshalb wissen: "Ist Aleppo verloren?"

Mit dem russischen Botschafter Wladimier M. Grinin, dem ehemaligen US-Botschafter John Kornblum, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, dem Bundeswehr-General a.D. Harald Kujat und Katharina Ebel, die sich als Nothilfe-Koordinatorin um die Organisation der SOS-Kinderdörfer in Syrien kümmert, suchen am Sonntagabend fünf Gäste eine Antwort auf Wills Frage, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

"Seit Jahren versucht, mit Russland zu verhandeln"

Das Schwierige dabei: Zumindest mit Worten macht sich jeder in der Runde für eine Waffenruhe in Syrien im Allgemeinen und eine Linderung der Not in Aleppo im Speziellen stark. "Wir möchten eine ordentliche Untersuchungskommission, die den Angriff auf den Hilfskonvoi untersucht", fordert zum Beispiel der russische Botschafter und lässt dabei außer Acht, dass es die bereits gegeben hat: Die Vereinten Nationen kamen vor wenigen Tagen zu dem Schluss, dass in jedem Fall ein Luftangriff für die Zerstörung des Konvois verantwortlich sei - ohne jedoch den Schuldigen zu benennen. Die Russen sind allerdings anderer Meinung, sie pochen weiterhin auf einen Artillerieangriff oder gar mutwillige Brandstiftung.

Grinins Aussagen bringen seinen amerikanischen Ex-Kollegen schon wenige Minuten nach dem Start der Talkrunde beinahe zum Explodieren: "Tatsache ist, dass man seit Jahren versucht, mit Russland zu verhandeln, um sicherzustellen, dass die Assad-Regierung nur Terroristen, nicht aber die Opposition bombardiert - ohne Erfolg, wie man jetzt wieder gesehen hat", sagt Kornblum und fügt hinzu: "John Kerry war so wütend, dass er das Wort Kriegsverbrechen benutzt hat. Das ist ein starkes Wort, das fällt nicht so oft, gerade in diplomatischen Kreisen."

Von Kriegsverbrechen spricht auch Norbert Röttgen: "Die Bombardierung von Hilfskonvois ist ein Verbrechen, daran führt gar kein Weg vorbei", sagt der CDU-Politiker. Statt weiterer Schuldzuweisungen fordert Röttgen allerdings ein Umdenken in der nahen Zukunft: "Russland muss aufhören, Bomben zu werfen - das wäre der erste Schritt dahin, das Leid zu stoppen. Denn die Luftangriffe sind die Abrissbirne, die quer durch das gesamte Rebellengebiet geführt wird."

"Die Menschen sind müde"

Eine Abrissbirne, die Harald Kujat auch auf der Gegenseite sieht: "Klar ist das eine humanitäre Katastrophe - es ist aber nur ein Teil der Wahrheit, denn auch West-Aleppo wird beschossen, von den Terroristen im Osten", sagt der Ex-General, der damit sofort wieder das alte Schuldzuweisungs-Spiel aufnimmt , aber immerhin eine mögliche Lösung parat hat, auch wenn die angesichts des brutalen Kampfes um Aleppo reichlich realitätsfern wirkt: "Man könnte Aleppo zu einer offenen Stadt erklären, nach der Haager Landkriegsordnung. Aleppo dürfte nicht mehr verteidigt, aber auch nicht mehr beschossen werden."

Wie eine Waffenruhe in Syrien und vor allem in Aleppo erreicht werden könnte, weiß zwar auch Katharina Ebel nicht, eines aber fordert die Hilfskoordinatorin, die für ihre Arbeit immer wieder nah an der Lebensrealität der Betroffenen dran ist: "Den Menschen ist es völlig egal, wer welche Gespräche abgebrochen hat, denen ist völlig bewusst, dass es ein Propagandakrieg ist. Die Menschen sind müde. Sie wollen Frieden. Egal wie."

Hauptsache Frieden, dafür macht sich auch Anne Will selbst stark. Die Moderatorin beansprucht das letzte Wort des Abends für sich, was zeigt, wie wichtig Will das Thema ist. Normalerweise lässt sie den Gästen in ihrer Show so viel Raum wie möglich, diesmal appelliert sie mit einem Zitat aus einem Kommentar der israelischen Zeitung "Haaretz" an die Menschen: "Wer das Sterben in Aleppo zulässt, macht sich mitschuldig."

Quelle: ntv.de

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