Politik

Kein Halten um jeden Preis Warum die Ukraine in Sjewjerodonezk den Kampf verweigert

Ukrainische Truppen im Raum Sjewjerodonezk.

Ukrainische Truppen im Raum Sjewjerodonezk.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Der russische Vormarsch im Donbass kommt voran. Nach ukrainischen Angaben ziehen sich die Verteidiger der Stadt Sjewjerodonezk zurück. US-Experten halten die Entscheidung für richtig und sehen dahinter strategisches Kalkül.

Nach wochenlangen Stellungskämpfen im Donbass verzeichnen die russischen Streitkräfte in den vergangenen Tagen wieder Geländegewinne. Seit dem Frontdurchbruch bei Popasna in der Region Luhansk stoßen Moskaus Streitkräfte nach Norden und Westen, um die Zwillingsstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk einzukesseln.

Doch auch der aus nördlicher Richtung erfolgte Frontalangriff auf das vorgelagerte Sjewjerodonezk zeigt Wirkung. Nach ukrainischen Angaben befindet sich ein Großteil der Stadt bereits in russischer Hand. Regionalgouverneur Serhij Gajdaj rechnet mit einer vollständigen Einnahme in den nächsten zwei bis drei Tagen. Nach seinen Angaben ziehen sich die ukrainischen Einheiten nach Lyssytschansk zurück.

Das US-Militärforschungsinstitut ISW sieht hinter der Aufgabe von Sjewjerodonezk Kalkül. Kiews Militärplaner hätten mehr Reserven und Ressourcen für die Verteidigung der Stadt bereitstellen können, sind sich die Experten sicher. Dennoch sei die Rückzug-Entscheidung strategisch vernünftig.

"Die Ukraine muss mit ihren begrenzten Ressourcen sparsam umgehen und sich darauf konzentrieren, kritisches Terrain zurückzugewinnen, anstatt Boden zu verteidigen, dessen Kontrolle nicht über den Ausgang des Krieges entscheiden wird", heißt es im aktuellen Lagebericht des ISW. Die Priorisierung von Gegenangriffen und Verteidigungsoperationen habe in der Vergangenheit schon zu Erfolgen geführt. Als Beispiel führen die Analysten die Rückeroberungen im Raum Charkiw und den Stopp des russischen Vormarsches bei Isjum an.

Cherson für die Ukraine wichtiger als Sjewjerodonezk

Der Kreml habe sich stattdessen darauf versteift, alle verfügbaren Reserven in den Donbass zu schicken, obwohl die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk lediglich symbolischen Wert besitzen würden. Beide sind die letzten Großstädte in der Region Luhansk, die noch von der Ukraine kontrolliert werden. Putins Konzentration auf den Osten führe aktuell dazu, dass russische Positionen in der Region Cherson geschwächt werden.

Dieses Gebiet sei für die Ukraine extrem wichtig. Denn rund um die gleichnamige Stadt haben Moskaus Verbände den Fluss Dnepr überschritten. Die Stellungen am Westufer seien als Ausgangspunkt für weitere Großangriffe bedeutend. Gelinge es hingegen der Ukraine, die Stadt Cherson zu befreien, wären sie bei zukünftigen russischen Offensiven in einer viel besseren Position, so die Einschätzung.

"Die Führung der Ukraine musste in diesem Krieg unglaublich schwierige Entscheidungen treffen und hat im Allgemeinen die richtigen Entscheidungen getroffen", sagen die Experten vom ISW. Deshalb habe die Ukraine immer noch gute Chancen, die russischen Gebietsgewinne zu stoppen und wieder rückgängig zu machen.

Quelle: ntv.de, jpe

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