Neue EU-Regeln für Gebäude Was bei der Sanierungspflicht klar ist - und was nicht


Ist ein Haus nicht ausreichend gedämmt, verpflichtet das EU-Gesetz zur Sanierung.
(Foto: picture alliance / Westend61)
Die EU will Immobilienbesitzer verpflichten, Gebäude energetisch zu sanieren. Die erste Etappe für Renovierungen setzt sie bis 2030 an. Ziel ist Klimaneutralität bis 2050. Die Verhandlung über das Gesetz dauert an. Worauf sich Eigentümer einstellen müssen und welche Fragen offen sind.
1. Anwendung
Noch laufen die Gespräche zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat, also den Regierungschefs der EU-Staaten. Haben beide sich geeinigt, muss jeder Mitgliedsstaat der Europäischen Union die Sanierungspflicht anwenden. Die Diskussion steht inhaltlich auch in Zusammenhang mit der geplanten Änderung des Gebäudeenergiegesetzes von Bundeswirtschafts- und Bundesbauministerium. Diese sieht vor, jede neu eingebaute Heizung ab dem 1. Januar 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Das Europäische Parlament fordert die Mitgliedsstaaten in seinem Entwurf ebenfalls auf, zu beschreiben, wie fossile Brennstoffe in Heizungssystemen bis 2035 auslaufen sollen. Sobald das Gesetz gilt, sollen demnach keine Gas- und Öl-Heizungen mehr in neuen Immobilien oder Gebäuden, die grundsaniert wurden, erlaubt sein.
Wenn einzelne Staaten die Richtlinie der EU umsetzen, haben sie Gestaltungsspielraum. Viele Länder vertreten im Rat die Auffassung, dass es sinnvoll ist, einen Nachbarschaftsansatz zu verfolgen. Dabei steht nicht die Energieeffizienz von einzelnen Gebäuden im Fokus, sondern von Stadtteilen. Zu den Befürwortern dieser Herangehensweise zählt auch die deutsche Bundesbauministerin Klara Geywitz.
Der Ansatz ermögliche lokalen Behörden, "die Gebiete zu ermitteln, in denen es am sinnvollsten ist, integrierte Renovierungsprogramme auf Stadtteilebene einzuführen", sagt der federführende Grünen-Abgeordnete Ciarán Cuffe ntv.de. Auch Kritiker der Sanierungspflicht wie der europäische FDP-Abgeordnete Andreas Glück können in der Methode Vorteile erkennen. Der Nachbarschaftsansatz sei "sinnvoll", da er Möglichkeit für mehr Flexibilität sowie Kostenvorteile bei größeren Renovierungen biete, sagt Glück ntv.de.
2. Energieeffizienzklassen
Das Parlament vertritt die Position, dass alle Wohngebäude bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse "E" und bis 2033 die Energieeffizienzklasse "D" erreichen sollen, wobei die Klassen auf einer Skala von "A" bis "G" angegeben werden. Die Staaten werden nach Cuffes Angaben selbst festlegen, wie sie die Effizienzklassen einteilen. Die Pläne der EU geben nur vor, dass die Klasse "G" die 15 Prozent der Gebäude eines Landes umfasst, die am ineffizientesten sind. "Der Anteil der Gebäude in dieser G-Kategorie wird also von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein", so Cuffe.
Diesen Punkt sieht Glück kritisch. "Durch diese individuelle Skalierung werden die Staaten, die bereits am meisten saniert haben, bestraft. Da die Gebäude dort bereits relativ energieeffizient sind, müssen sie die Skala weiter oben ansetzen und mehr Geld ausgeben", so Glück.
Experten gehen davon aus, dass Eigentümer hierzulande sich ungefähr an den Klassen orientieren können, die bislang in Deutschland gelten. Die Skalierung wird sich jedoch verschieben, da das deutsche System im Gegensatz zu den Plänen der EU noch die unterste Effizienzklasse "H" umfasst.
Die deutschen Energieeffizienzklassen:
- 1. Energieeffizienzklasse A+ mit weniger als 30 kWh/m²; entspricht einem KfW-Effizienzhaus 40, in etwa energetisch gleichwertig mit dem Passivhaus
- 2. Energieeffizienzklasse A mit 30 bis 50 kWh/m²; entspricht einem Niedrigstenergiehaus oder einem KfW-Effizienzhaus 55.
- 3. Energieeffizienzklasse B mit 50 bis 75 kWh/m²; entspricht dem KfW-Energiesparhaus 60, das den EnEV-Anforderungen 2014 entspricht.
- 4. Energieeffizienzklasse C mit 75 bis 100 kWh/m²; entspricht dem Standard eines Niedrigenergiehauses
- 5. Energieeffizienzklasse D mit 100 bis 130 kWh/m²; entspricht sehr gut sanierte Altbauten
- 6. Energieeffizienzklasse E mit 130 bis 160 kWh/m²; entspricht dem Standard bei Einfamilienhäusern, die Mindestanforderungen der EnEV einhalten und einigen modernisierte Altbauten
- 7. Energieeffizienzklasse F mit 160 bis 200 kWh/m²; entspricht modernisierte Altbauten nach den Anforderungen der EnEV an Bestandsimmobilien
- 8. Energieeffizienzklasse G mit 200 bis 250 kWh/m²; entspricht nur teilweise sanierten und rudimentär gedämmten Altbauten.
- 9. Energieeffizienzklasse H ab 250 kWh/m²; entspricht unsanierten Altbauten
3. Ausnahmen
Die Entwürfe des Europäischen Parlaments sehen eine Liste zahlreicher Ausnahmen für die Sanierungspflicht vor, die Staaten können sie später erweitern. Ein wichtiges Thema bei den laufenden Verhandlungen ist der Umgang mit älteren Einfamilienhäusern, die eine schlechte Energieeffizienz aufweisen. Im Entwurf des Rates sei "eine Ausnahmeregelung für Einfamilienhäuser vorgesehen, was die Position der Mitgliedstaaten widerspiegelt", so Cuffe. Renovierungspflichten sollen somit nur bei Verkauf oder Neuvermietung gelten. Bei der Vererbung eines Einfamilienhauses haben die neuen Eigentümer Möglichkeit, das Gebäude innerhalb von fünf Jahren zu sanieren. Gleiches gilt für Schenkungen oder Gebäude, deren Zweck im Grundbuch geändert wird.
Zudem gelten Ausnahmen für Sozialwohnungen, Wohnungen unter 50 Quadratmetern, religiöse oder denkmalgeschützte Gebäude und solche, die nur vorübergehend genutzt werden. Des Weiteren will das Parlament Ländern ermöglichen, die neuen Vorgaben für einen bestimmten Teil der Gebäude anzupassen - abhängig davon, ob die Renovierungen durchführbar und qualifizierte Arbeitskräfte verfügbar sind.
4. Kosten
Nach Angaben der Kommission brauchen alle Mitgliedsstaaten bis 2030 insgesamt 275 Milliarden Euro an jährlichen Investitionen für die Gebäudesanierung. Das entspricht nach dieser Rechnung zusätzlichen 152 Milliarden pro Jahr im Vergleich zu einem Szenario, in dem nicht alle Gebäude die Klasse "E" erreichen müssen. Glück sieht ein Problem darin, dass Menschen, die sich den Traum vom Eigenheim erfüllt haben, durch das Gesetz "in die Falle" gelockt würden. Als Beispiel beschreibt er die Situation eines Rentnerehepaars, das seine Immobilie verkaufen oder vermieten will. Je nachdem, wie das Gesetz am Ende gestaltet werde, müsse dieses Paar sein Haus vorher sanieren. Dabei stelle sich die Frage, ob es diese Renovierung überhaupt finanzieren kann. Zudem könnten die Kosten für die energetische Sanierung auch auf Mieter abgewälzt werden.
Glück ist der Ansicht, dass abgewartet werden sollte, wie sich die kürzlich beschlossene CO2-Zertifizierung für Gebäude auf die Energieeffizienz auswirkt, bevor eine Pflicht gesetzlich verankert wird. Die EU möchte die Renovierung von Immobilien mit Zuschüssen unterstützen, die Mitgliedsstaaten können aus eigenen Töpfen weitere Mittel bereitstellen. In ihrer siebenjährigen Haushaltsplanung zwischen 2028 und 2034 sieht die EU nach Cuffes Angaben Sanierungs-Förderungen in Höhe von 69 Milliarden Euro vor. Zusätzlich können Mitgliedsstaaten eine Reihe von EU-Geldern beantragen.
5. Zeitrahmen
Cuffe hofft, die Verhandlungen mit dem Rat bis Mitte dieses Jahres abzuschließen. Ist der Beschluss gefasst, wird die Richtlinie in der gesamten EU geändert. Die Mitgliedsstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen und ihren Gestaltungsspielraum zu nutzen. Das Gesetz gilt also frühestens ab 2025. Falls die Staaten die Umsetzungsfrist versäumen, kann die Kommission sie ermahnen und notfalls ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Die geplante Gesetzesänderung ist Teil des EU-Klimapakets "Fit for 55", mit dem die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden sollen.
Die Sanierung auf Effizienzklasse "D" bis 2033 ist nur ein erster Schritt. Weitere Pläne der EU sehen vor, dass der gesamte Gebäudebestand bis 2050 klimaneutral wird. Auch falls die Details der Sanierungspflicht geändert werden, müssen sich Immobilienbesitzer in jedem Fall auf umfassende Renovierungsarbeiten einstellen.
Quelle: ntv.de