Deutschlandbesuch geplant Weniger Papst-Fans
06.02.2009, 22:13 UhrDie Zustimmung für Papst Benedikt XVI. in der deutschen Bevölkerung scheint nach dem Eklat um den Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson zu bröckeln. Hatten beim Amtsantritt von Joseph Ratzinger als Papst im April 2005 noch fast zwei Drittel der Deutschen (63 Prozent) von einer guten Wahl gesprochen, so sind jetzt nur noch 42 Prozent mit seiner Arbeit sehr zufrieden oder zufrieden. Dies ergab eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap Anfang der Woche im Auftrag der ARD. Unterdessen wurde bekannt, dass Benedikt im nächsten Jahr nach Deutschland kommen will - zu den Feierlichkeiten 20 Jahre Deutsche Einheit, da sei es wieder "ruhig geworden", verlautete aus der Bischogskonferenz.
Auf großes Unverständnis stieß die Entscheidung des Papstes, die Exkommunikation von Williamson und drei weiteren Bischöfen der erzkonservativen Piusbruderschaft aufzuheben. Fast zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) sprachen sich dafür aus, Williamson wieder aus der katholischen Kirche auszuschließen. Lediglich jeder Vierte (27 Prozent) sagte, er könne in der Kirche bleiben, dürfe aber kein Amt ausüben.
Williamson bestreitet die historische Tatsache, dass in den Gaskammern der Nazis sechs Millionen Juden ermordet wurden. Der päpstlichen Forderung nach Widerruf ist der Brite bisher nicht nachgekommen.
Die Affäre hat nach Ansicht von Vatikansprecher Federico Lombardi Kommunikationsdefizite in der Kurie offengelegt. Zugleich nahm Lombardi in der französischen katholischen Tageszeitung "La Croix" Papst Benedikt XVI. in Schutz. In der Vatikanverwaltung müsse erst noch eine "Kultur der Kommunikation" geschaffen werden. Jede Abteilung kommuniziere eigenständig, ohne zwangsläufig an eine Zusammenarbeit mit der Presseabteilung des Vatikans zu denken. Ehrlich gesagt, sei es ein "heikler Punkt", wer die Meinung Williamsons gekannt habe, meinte Lombardi. Papst Benedikt XVI. habe das nicht gewusst. Wenn es jemand gewusst habe, sei es der Präsident der zuständigen Päpstlichen Kommission, Kardinal Daro Castrillon Hoyos, gewesen.
"Schlamperei" im Vatikan
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke bezeichnete Williamsons Wiederaufnahme als "schlampige Entscheidung". "Wenn der zuständige Kardinal Hoyos erklärt, er habe diesen Williamson gar nicht gekannt, geschweige denn das, was er gesagt hat, ist das natürlich unentschuldbar", sagte er bei n-tv. Der Papst habe aber sicher nichts von Williamsons Holocaust-Leugnung gewusst.
"Vatikan war blauäugig"
Der Kirchenrechtler Prof. Klaus Lüdicke warf dem Vatikan deshalb Blauäugigkeit vor. "Der Vatikan hätte sich besser informieren müssen", sagte Lüdicke im Interview mit n-tv.de. Normalerweise sei das Staatssekretariat des Vatikans für die Außenbeziehungen zuständig und habe dabei die Medien, die Staaten und die anderen Religionsgemeinschaften im Blick. "Man hätte vor der Aufhebung der Exkommunikation mal im Internet überprüfen sollen, wer da eigentlich rehabilitiert werden sollte. Williamson gibt ja schon seit Längerem immer wieder antijudaistische Äußerungen ab", erklärt der katholische Theologe. Offensichtlich habe da etwas nicht funktioniert. In Zukunft müsse der Vatikan "einfach besser aufpassen, anstatt so blauäugig zu handeln".
"Offenes Versagen"
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch kritisierte scharf den mangelnden Informationsfluss im Vatikan. Bei der Aufhebung der Exkommunikation des Holocaust- Leugners Richard Williamson habe man "den Papst leichtfertig ins Messer laufen lassen", sagte Zollitsch im ZDF. Kardinal Hoyos hätte sich vergewissern müssen, "was für Personen" die betroffenen vier Mitglieder der Piusbruderschaft seien. Dass dies nicht geschehen und der Papst nicht informiert worden sei, sei "ein offenes Versagen". Zollitsch rechnet mit einem Bruch der Kirche mit der Bruderschaft, deren Einlenken nicht zu erwarten sei.
Kirchenrechtler unterschiedlicher Meinung
Mit der Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson hat sich der Papst nach Meinung des Kirchenrechtlers Prof. Klaus Lüdicke selbst die Hände gebunden. Da die Holocaust-Leugnung nach Kirchenrecht nicht strafbar sei, liege keine neue Straftat von Williamson vor – der Vatikan könne nur versuchen, das Gespräch mit der konservativen Bruderschaft zu suchen und auf eine Rücknahme der Äußerung von Williamson hoffen, sagte der katholische Theologe aus Münster n-tv.de.
Der Trierer Kirchenrechtler Peter Krämer dagegen widerspricht der Auffassung, Papst Benedikt XVI. könne die Aufhebung der Exkommunikation gegen Williamson und drei weitere Bischöfe der konservativen Piusbruderschaft nicht zurücknehmen. Eine erneute Exkommunikation Williamson sei rechtlich möglich, sagte Krämer dem "Kölner Stadtanzeiger". Es handele sich zwar bei der Frage nach dem Völkermord an den europäischen Juden nicht um eine Glaubenswahrheit, meint auch Krämer, trotzdem habe "das päpstliche und bischöfliche Lehramt auch die Pflicht, zu ethischen und sozialen Fragen Stellung zu nehmen und einzuschreiten, wenn aus dem Raum der Kirche die Würde des Menschen verletzt wird." Dies sei der Fall, wenn jemand den Holocaust leugne. "Denn er bestreite ja nicht nur historische Tatsachen, sondern dahinter steht eine menschenverachtende Ideologie", so der Trierer Ordinarius. "Als härteste Maßnahme könnte der Papst durchaus die Exkommunikation aussprechen. Oder er könnte mehrjähriges Redeverbot verhängen."
Pius-Brüder auf Konfrontationskurs
Der Papst könne zu neuen Sanktionen greifen, falls die vier Bischöfe weiterhin ungehorsam seien, sagte Krämer. Danach sehe es aber aus. Die Piusbruderschaft rede weiter davon, "Rom bekehren" zu wollen und bezeichne das Zweite Vatikanische Konzil als "Riesenkloake".
Nach einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" hat die Piusbruderschaft für Ende Juni bereits die nächsten Priesterweihen angesetzt, obwohl solche Weihen den vier abtrünnigen Bischöfen der Bruderschaft verboten sind. Bischofsweihen führen nach dem Kirchenrecht automatisch zur Exkommunikation, Priesterweihen werden als geringere Vergehen geahndet.
Ein Zeichen der Bruderschaft?
Inzwischen ist eines der prominenteren Mitglieder aus der Bruderschaft ausgeschlossen worden. Floriano Abrahamowicz habe seit einiger Zeit Positionen vertreten, die mit denen der Priesterbruderschaft St. Pius X. nicht übereinstimmten, erklärte die italienische Sektion. Abrahamowicz hatte in einem Interview gesagt, es sei sicher, "dass die Gaskammern zur Desinfektion" benutzt worden seien. Ob darin auch Menschen getötet worden seien, könne er nicht sagen, weil er sich mit der Frage noch nicht eingehend beschäftigt habe. Der Ausschluss Abrahamowicz', der als Piusbruder in Treviso für den Nordosten Italiens zuständig war, sei notwendig geworden, um den Ruf der Gemeinschaft und ihren Dienst in der Kirche nicht zu gefährden, hieß es.
Papst plant Deutschland-Besuch
Nach Angaben der Bischofskonferenz plant der Papst zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit 2010 seinen dritten Deutschlandbesuch. Er gehe davon aus, dass es im kommenden Jahr einen Staatsbesuch geben werde, sagte der Freiburger Erzbischof Zollitsch dem ZDF. Eine Bestätigung des Präsidialamts lag zunächst nicht vor. Bundespräsident Horst Köhler hatte den deutschen Papst 2006 zu einem Staatsbesuch eingeladen.
Neben Berlin sind nach Zollitschs Worten Aufenthalte des Papstes in Freiburg und Thüringen im Gespräch. Erwogen würden Besuche in Erfurt, dem katholischen Eichsfeld und auf der Wartburg in Eisenach, wo der Reformator Martin Luther die Bibel ins Deutsche übersetzt hatte. Bis 2010 werde vieles wieder so ruhig geworden sein, dass man den Papst mit Freude und Begeisterung aufnehmen könne, meinte Zollitsch.
Im Streit über den vom Papst rehabilitierten Holocaust-Leugner Richard Williamson hatte es unlängst Verstimmung im Verhältnis Deutschlands zum Vatikan gegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Benedikt zur Klarstellung aufgefordert, dass ein Leugnen des Völkermords an sechs Millionen europäischen Juden in der römisch-katholischen Kirche nicht geduldet werde. Der Vatikan verwahrte sich gegen Merkels Kritik, die später die Forderung des Papstes an Williamson begrüßte, sich von seinen Äußerungen zu distanzieren.
Benedikt war seit seiner Wahl zum Papst zweimal in Deutschland. 2005 nahm er am Weltjugendtreffen in Köln teil, 2006 besuchte er Orte in seiner bayerischen Heimat.
Quelle: ntv.de