Ukraine-Talk bei "Maischberger" "Wenn einer Interesse an einem langen Krieg hat, ist das China"
22.03.2023, 03:12 Uhr
"Die Propaganda, dass Russland nicht verhandeln will, ist falsch", sagt Oskar Lafontaine (r).
(Foto: WDR/Oliver Ziebe)
Könnte der Besuch des chinesischen Präsidenten in Moskau das Kriegsende in der Ukraine beschleunigen? Das ist eine Frage, über die am Dienstagabend die beiden Politprofis Oskar Lafontaine und Roderich Kiesewetter in der ARD-Sendung "Maischberger" diskutieren.
In einigen Monaten wird er achtzig Jahre alt – Oskar Lafontaine. Dreizehn Jahre lang war er Ministerpräsident des Saarlandes, vier Jahre Vorsitzender der SPD und drei Jahre der Linken, zu deren Gründungsmitgliedern er zählt. Seit einem Jahr ist er parteilos. In der ARD-Talkshow "Maischberger" trifft er am Dienstagabend auf Roderich Kiesewetter, CDU-Militärexperte und Oberst a. D. Bei Maischberger sollen sich die beiden zu der aktuellen Situation in der Ukraine äußern. Wer einen heftigen Streit erwartet, wird enttäuscht. Beide sind ruhig, tauschen ihre Meinungen aus. Das macht die Diskussion unerwartet interessant, obwohl – oder gerade weil - sie fast nie einer Meinung sind.
Das beginnt schon bei der Einschätzung des Besuchs von Chinas Präsident Xi in Moskau. "Ich hoffe, dass China Einfluss auf Moskau nimmt, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden", wünscht sich Lafontaine. Kiesewetter äußert dagegen seine Skepsis: China begebe sich in eine Systemauseinandersetzung, sagt er. Das langfristige Ziel der Volksrepublik sei deren Vereinigung mit Taiwan. Der Westen müsse China andere Wege aufzeigen, fordert er.
Über das Ende des Krieges in der Ukraine würden letztlich China und die USA entscheiden, sagt Lafontaine. Nein, so Kiesewetter, das würde das ukrainische Volk mit der Unterstützung des Westens tun.
"USA haben kein Interesse am Frieden"
Nach Lafontaines Ansicht wird der Krieg in der Ukraine noch lange dauern. Die USA seien nicht an einem Frieden interessiert, das habe US-Verteidigungsminister Austin gesagt, den Lafontaine Kriegsminister nennt. Dessen Ziel sei, dass Russland keinen Krieg mehr führen könne, und das dauere sehr lange. "Wenn einer Interesse an einem langen Krieg hat, ist das China", entgegnet Kiesewetter. Chinas Ziel sei die Besetzung Taiwans, und China wolle die Abnutzung der europäischen Länder, die nicht in der Lage sein sollten, auf eine solche Besetzung zu reagieren.
Auch was ein mögliches Kriegsende in der Ukraine angeht, haben beide unterschiedliche Ansichten. Lafontaine, der zu den Unterzeichnern des Friedensmanifests seiner Frau Sahra Wagenknecht gehört, will vor allem, dass Deutschland keine Kampfjets in die Ukraine liefert. Das werde auch nicht passieren, wendet Kiesewetter ein, weil Deutschland über keine Kampfjets verfüge. Wichtig sei, dass Deutschland eine weitere Eskalation des Krieges verhindere, sagt Lafontaine. "Damit verlängern wir den Krieg und das Sterben in der Ukraine."
"Sie wollen ihr Land zurückhaben"
"Das Sterben in der Ukraine kann sofort beendet werden, wenn Putin den Krieg beendet", kontert Kiesewetter. Deutschland habe ein halbes Jahr lang die Lieferung von Schützenpanzern abgelehnt. In dieser Zeit habe Russland keine Verhandlungsbereitschaft gezeigt, dafür aber rund 30.000 zivile Ziele in der Ukraine zerstört. Nun liefere Deutschland Schützenpanzer und habe seine Ziele geändert. Früher habe man gesagt, Russland dürfe den Krieg nicht verlieren, heute sage Verteidigungsminister Boris Pistorius, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen. Das bedeute die Wiederherstellung der Grenzen von 2013, und die Krim müsse unter internationale Beobachtung gestellt werden. Außerdem müsse ein russischer Überfall auf Moldau und das Baltikum ausgeschlossen werden.
Am Ende des Krieges müssen Verhandlungen stehen, in diesem Punkt sind sich beide Kontrahenten einig. Doch Lafontaine ist sich sicher: "Die Propaganda, dass Russland nicht verhandeln will, ist falsch." Russland fordere die bereits besetzten Gebiete in der Ukraine, habe dies aber nicht zur Bedingung gemacht. Deswegen müsse dringend über einen Waffenstillstand gesprochen werden.
Den lehnten die Menschen in der Ukraine ab, sagt Kiesewetter. "Ich war dreimal in der Ukraine, ich habe während russischem Beschuss in Kellern gesessen. Die Menschen dort wollen nicht unter das russische Joch. Ihnen ist die Freiheit viel wichtiger als ein Diktatfrieden oder ein Waffenstillstand. Sie wollen ihr Land zurückhaben, weil sie wissen, dass dort furchtbare Verbrechen geschehen, wo die Russen es besetzt halten."
Quelle: ntv.de