Johnson-Freund Evgeny Lebedev Wie ein Oligarchen-Sohn britischer Baron wurde
15.03.2022, 20:09 Uhr
Baron von Sibirien: Evgeny Lebedev verdankt Premier Johnson seinen Titel.
(Foto: picture alliance / empics)
Boris Johnson ist unter Druck, weil er den Medienmogul und Sohn eines Ex-KGB-Offiziers Evgeny Lebedev zum Baron ernannte und ihn so einen Sitz im britischen Oberhaus verschaffte. Die Geschichte, wie es so weit kam, ist faszinierend und sagt viel aus über den Einfluss russischer Oligarchen in London.
In Großbritannien ist eine heftige Diskussion über den Umgang führender Politiker mit russischen Oligarchen und deren Einfluss auf die Politik des Vereinigten Königreichs im Gange. In Deutschland ist vor allem der Eigentümer des Fußballvereins FC Chelsea, Roman Abramowitsch, ein Begriff, doch er ist sozusagen nur die Spitze des Eisbergs. Laut Transparency International haben Russen, die der Korruption beschuldigt wurden oder dem Kreml nahe stehen sollen, alleine seit 2016 umgerechnet für fast 1,8 Milliarden Euro Immobilien in Großbritannien gekauft.
Vater Alexander war KGB-Offizier
Einer von ihnen ist Evgeny Lebedev, der es mithilfe des Premierministers Boris Johnson sogar als Baron ins britische Oberhaus geschafft hat. Die Geschichte, wie es dazu kam, bietet Stoff für einen Kino-Blockbuster, sagt aber auch viel aus, über den großen Einfluss russischer Oligarchen auf die britische Politik.
Evgenys Vater ist Alexander Lebedev, der bis 1992 für den russischen Geheimdienst KGB beziehungsweise dessen Nachfolgeorganisation FSB arbeitete. Laut "The Sunday Times" war er bis 1988 Spion in London.
In seinem aktuellen Tortois-Podcast "Lebedev: Lord of Sibiria" sagt Paul Caruana-Galizia, Alexanders Job sei es gewesen, Rüstungskontrollverhandlungen, Handelsgespräche, NATO- und britische Politiker zu überwachen. Angeblich musste er seinen Abschied wegen einer Affäre mit der Frau eines hochrangigen Diplomaten nehmen, laut Caruana-Galizia hat er aber eher Geschäfte betrieben, die gegen diplomatische Regeln verstießen.
Durch Gazprom reich geworden
Zurück in Moskau machte Alexander Lebedev dann Geld mit riskanten Anleihen, bevor er 1995 die in Schlagseite geratene russische National Reserve Bank kaufte. Unter anderem investierte er in Gazprom-Anteile, und innerhalb von zwei Jahren war seine Bank eine der größten des Landes.
Drei KGB-Beamte bekleideten hohe Posten in der Bank, doch Caruana-Galizia sagt, Alexander habe bestritten, seinen Reichtum FSB-Kontakten zu verdanken. Er sei ein "Finanz-Mozart" lautete seine Begründung. 2006 hatte es Alexander mit einem geschätzten Vermögen von 3,5 Milliarden Dollar auf die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt geschafft.
2008 orientierte er sich wieder mehr nach London, nachdem seine Zeitung "Moskovski Korrespondent" wegen eines Artikels über Putins Privatleben dichtmachen musste und er sich zunehmend vom FSB unter Druck gesetzt sah. Nachdem er auch noch mit dem inhaftierten Ölmagnaten Michail Chodorkowski sympathisiert hatte, verließ er Russland 2012 endgültig. Sein 28 Jahre alter Sohn Evgeny war bereits vor Ort, er hatte London nie verlassen, dort studiert und sich einen Ruf als Partykönig gesichert. Seit 2010 hat Evgeny die doppelte Staatsbürgerschaft.
Günstiger Einstieg ins britische Mediengeschäft
Im Jahr darauf kauften Vater und Sohn für den symbolischen Preis von 1 Pfund die Mehrheit der kränkelnden Zeitung "Evening Standard" - vermutlich um politischen Einfluss zu gewinnen, sagt Bill Browder, Chef der Hermitage Capital Bank, im Podcast. 2010 folgte "The Independent" - ebenfalls für 1 Pfund.
Evgeny machte sich zunächst einen Namen in der Gesellschaft und verkehrte unter anderem mit Elton John, Naomi Campbell oder David Beckham. Eingefädelt von seinem Vater, freundete er sich 2010 mit dem damaligen Londoner Bürgermeister Boris Johnson an.
"Boris Johnson - der richtige Mann für London"
"2012 standen sich Evgeny und Boris Johnson bereits so nahe, dass sie zusammen auf den Straßen von London schliefen und eine Flasche Whisky teilten, um Geld für eine Kampagne gegen Obdachlosigkeit zu sammeln", sagt Caruana-Galizia. Im selben Jahr titelte die Zeitung kurz vor der Bürgermeisterwahl: "Boris Johnson - der richtige Mann für London". Schon 2011 betonte Evgeny in Vorbereitung eines russischen Kulturfestivals in London, substantielle finanzielle Unterstützung aus Moskau sichern zu können.

Evgeny 2016 bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung mit der Schauspielerin Liz Hurley.
(Foto: picture alliance / empics)
In den folgenden Jahren gab Evgeny wiederholt exklusive Partys in italienischen Anwesen, die ihm oder seinem Vater gehören. Johnson und weitere hochrangige Politiker gehörten zum illustren Kreis der Gäste. Der italienische Investigativ-Journalist Jacapo Jacoboni nennt im Podcast unter anderem die früheren Premierminister Tony Blair und David Cameron. Über fünf Jahre hinweg habe Evgeny Johnson jeden Oktober eine zweitägige Reise zu einer seiner Partys bezahlt, so Caruana-Galizia.
Rauschende Partys und geheime Einblicke
Am 15. Dezember 2017 feierte Lebedev in London eine rauschende Party mit der UDSSR als Motto. Laut "The Guardian" wurden Mitarbeiter im Vorfeld per E-Mail gewarnt, es werde sich um eine Party der wilderen Sorte handeln. Johnson - inzwischen Außenminister - war auch dabei. Er soll länger als die anderen Gäste geblieben sein.
Im Jahr zuvor habe Johnson Lebedev im Februar zu einem privaten Abendessen mit Justizminister Michael Glove eingeladen, wobei über Für und Wider eines Brexits gesprochen worden sei, so "The Guardian". Oliver Letwin, damals Staatsminister von Premierminister David Cameron, sei per iPhone zugeschaltet gewesen und habe Johnson für einen Verbleib überzeugen wollen.
Italiener besorgt wegen "Spionageoperationen"
Im April 2018 flog Johnson ganz alleine, ohne Leibwächter, zu einer Party in einem von Alexanders Anwesen. Der italienische Geheimdienst sei sehr darüber besorgt gewesen, dass Großbritanniens Außenminister alleine in das Haus eines ehemaligen KGB-Agenten gekommen sei, sagt Jacobini. In einem Dokument stelle der Geheimdienst fest, "dass die Operationen von Alexander Lebedev nicht nur Immobilien waren, sondern sie waren … buchstäblich Spionageoperationen."
Am Tag nach seiner Wahl zum Premierminister besuchte Johnson eine Feier zum 60. Geburtstag von Alexander Lebedev - der "Evening Standard" hatte sich zuvor erneut für ihn eingesetzt. Tony Blair und andere Politiker hätten die Party früh wieder durch Hintertüren verlassen, Johnson sei aber bis zum frühen Morgen geblieben. "Es war ein triumphaler Moment sowohl für Boris als auch für die Lebedews, deren Zeitungen jahrelang für ihn gekämpft hatten; als Bürgermeister, als Außenminister, als Ministerpräsident", sagt Caruana-Galizia.
Baron von Sibirien
Eineinhalb Jahre später wurde Evgeny Lebedev auf Geheiß Johnsons zum Baron und Mitglied des britischen Oberhauses ernannt. Er wollte, dass sein Titel seinen neuen Wohnsitz und seinen Geburtsort Moskau umfasst. Dies lehnte die Stadt allerdings ab, und so wurde Evgeny Baron Lebedev, von Hampton im Londoner Stadtteil Richmond upon Thames und von Sibirien in der Russischen Föderation.

Im "Evening Standard" rief Lebedev Putin dazu auf, den Krieg zu beenden.
(Foto: picture alliance / empics)
Politisch hat das Amt kaum Bedeutung. Solche Adelstitel würden vor allem wegen des Geldes verliehen, das im Interesse der Tories ausgegeben worden sei, so Lord Lexdon, der von David Cameron ins Oberhaus geschickt wurde. Offiziell haben aber weder Evgeny noch Alexander Geld an die Konservativen gespendet. Es sei also ein reiner Freundschaftsdienst gewesen, sagt Caruana-Galizia.
Die Gefälligkeit rief den britischen Geheimdienst MI6 auf den Plan, der vom besorgten Nominierungskomitee informiert worden war. Sie stuften Evgeny wegen der KGB-Vergangenheit seines Vaters als Sicherheitsrisiko ein und baten Johnson, einen anderen Kandidaten vorzuschlagen. Zwei Tage später habe Johnson aber Vertreter der Lebedev Holdings empfangen und kurze Zeit später war Evgeny als Kandidat bestätigt.
"Ich bin kein russischer Agent"
Um den Eindruck zu vermeiden, Putins Invasion zu unterstützen, bat Evgeny Lebedev auf der Titelseite des "Evening Standards" den russischen Präsidenten, den Krieg bitte zu beenden. "Im Moment stehen viele mit russischen Wurzeln auf dem Prüfstand, mich eingeschlossen", schrieb er. "Ich verstehe den Grund dafür, da es unvermeidlich ist, wenn Ereignisse solchen Ausmaßes eintreten und die Weltordnung, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten kannten, plötzlich zerrissen wird." Er sei kein Sicherheitsrisiko und auch kein russischer Agent.
Zuvor hatte sich Evgeny Lebedev weniger Putin-kritisch geäußert. 2013 bezweifelte er auf Twitter, dass der Kreml hinter der Ermordung Alexander Litwinenkos in London stand. Stattdessen brachte er den britischen Geheimdienst ins Spiel.
2014 verteidigte er im "Evening Standard" die Annexion der Krim mit den Worten, Russland habe nach dem Sturz des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Grund zum Handeln gehabt. "Es ist nicht überraschend, dass die rechtsextremen Elemente dieser ukrainischen Revolution die Russen beunruhigen, und das muss auch ihren Präsidenten beunruhigen." 2015 forderte er im "Independent": "Großbritannien muss Wladimir Putin zu einem Verbündeten machen."
Quelle: ntv.de