Politik

Erst soll "geprüft" werden Williamson widerruft nicht

Die katholische Kirche ist nach der umstrittenen Aufhebung des Kirchenbanns über die Piusbruderschaft offenbar mit einer Austrittswelle konfrontiert. "Die Austrittswelle hat bereits eingesetzt", sagte Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, der "Passauer Neuen Presse". Austreten könne man allerdings nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "In anderen Ländern ist dies gar nicht möglich, weil die Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann", sagte Gemmingen.

Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Papst und den deutschen Katholiken ist nach Meinung von Gemmingens "ein wenig lädiert". Der geplante Papstbesuch in Deutschland im kommenden Jahr könne diese Situation möglicherweise verbessern. "Es schmerzt, wenn man sieht, dass viele Menschen Rom und den Papst nicht mehr verstehen", sagte der Vatikanexperte. Gleichzeitig äußerte er Skepsis, ob der Papst seine geplante Israel-Reise antreten werden: "Ob sie wirklich zustande kommt, ist noch sehr offen", sagte Gemmingen. Gleichwohl gebe es keine Signale aus Israel, dass die Reise in Frage stehe.

Deutliche Kritik äußerte Gemmingen am Vorgehen des Vatikan. "Hier handelt es sich nicht nur um ein Kommunikationsproblem. Es gibt auch ein Organisationsproblem. Entscheidungen dürfen nicht an den Zuständigen im Vatikan vorbei getroffen werden. Es muss besser informiert und gemeinsam entschieden werden. Aber im Vatikan wird sich bei der Kommunikation nur sehr langsam und sehr wenig ändern.

"Das wird Zeit brauchen"

Der umstrittene Bischof der Piusbruderschaft, der Holocaust-Leugner Richard Williamson, will seine Thesen zum Mord an den Juden vorerst nicht widerrufen. Er wolle zunächst die historischen Beweise prüfen, sagte der Katholik dem Nachrichten- Magazin "Der Spiegel". "Und wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren. Aber das wird Zeit brauchen."

Der Katholik erneuerte seine Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil. Die Konzilstexte seien zweideutig: "Das führt zu diesem theologischen Chaos, das wir heute haben." Kritisch steht Williamson zu den universellen Menschenrechten: "Wo die Menschenrechte als eine objektive Ordnung verstanden werden, die der Staat durchsetzen soll, da kommt es immer zu einer antichristlichen Politik." Williamson erklärte, er wolle "unter keinen Umständen die Kirche und die Bruderschaft" weiter beschädigen.

Zentralrat stützt Merkel

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rücken gestärkt und von ihren Kritikern im Zusammenhang Pius-Affäre eine Klarstellung verlangt. Es sei unerträglich, wie versucht werde, die Kanzlerin wegen ihrer Intervention beim Papst öffentlich zu diffamieren, sagte Generalsekretär Stephan Kramer der "Rheinpfalz am Sonntag". Wenn sogar aus den Reihen der katholischen Kirche zum Wahlboykott gegen die Kanzlerin aufgerufen werde, dann sei das Hetze. Das stehe weder Kirchenvertretern noch Unionspolitikern zu, meinte Kramer. Solche offene Einschüchterung und Nötigung dürften nicht unwidersprochen hingenommen werden. Es könne nicht zugelassen werden, dass politischer Druck auf Demokraten ausgeübt wird.

Der Generalsekretär forderte Benedikt XVI. auf, sich klar von der Piusbruderschaft zu distanzieren. Wenn der Papst konsequent handeln würde, müsste er sogar alle Piusbrüder exkommunizieren, weil sie sich gegen das Zweite Vatikanische Konzil ausgesprochen haben. Je länger er warte, je mehr Missverständnisse werde es geben.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen