Porträt Winfried Hassemer
30.04.2002, 14:32 UhrSein Vizepräsidentenamt hat Winfried Hassemer pünktlich zum "Bergfest" bekommen: Seit sechs Jahren gehört er als Richter dem Bundesverfassungsgericht an, weitere sechs Jahre kann er nun sein neues Amt ausüben. Wobei "Vize" vor allem ein Titel ist - für die tägliche Arbeit bedeutender ist der Vorsitz im Zweiten Senat, den der liberale Frankfurter Strafrechtsprofessor von Jutta Limbach übernommen hat. Denn zum Zweiten Senat kommen politisch brisante Fälle - allen voran das NPD-Verbotsverfahren.
Der 62-jährige Hassemer, gewählt auf Vorschlag der SPD, ist ein unkonventioneller Kopf, der vor Diskussionsfreude sprüht. Als Professor, der er mit Leib und Seele geblieben ist, betrachtet er seine weiteren Fachgebiete Rechtstheorie und Rechtsphilosophie nicht nur als Schmuck. Wenn es um Kriminalpolitik geht, hat er beispielsweise stets die gesellschaftliche Komponente im Auge - und warnt deshalb vor dem Glauben an die Wirksamkeit härterer Strafen.
Im Zweiten Senat hat er in einigen Fällen einen streng rechtsstaatlichen Kurs durchgesetzt, unter anderem bei der Stärkung des Rechtsschutzes gegen polizeiliche Hausdurchsuchungen. Eines seiner wichtigsten Verfahren hatte indes nichts mit dem Strafrecht zu tun: Hassemer war als Berichterstatter zuständig, als das Gericht den Zeugen Jehovas im Streit um deren Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaft Recht gab.
Ins Licht der Öffentlichkeit rückte der gebürtige Rheinhesse, verheiratet mit einer Vorsitzenden Richterin am Frankfurter Oberlandesgericht, mit seiner Wahl zum hessischen Datenschutzbeauftragten im Jahr 1991. Hassemer machte sich zudem in den 90er Jahren als Kritiker des Großen Lauschangriffs und der Kronzeugenregelung einen Namen.
Von Wolfgang Janisch, dpa
Quelle: ntv.de