Zwangsarbeiter-Entschädigung Zaghafter Optimismus und neue Hürden
14.03.2001, 10:59 UhrNach langem Tauziehen scheint die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter gesichert. Am Dienstag meldete die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, dass die zugesagten 5 Milliarden Mark der Industrie komplett seien. Der Bundesverband "Information und Beratung für NS-Verfolgte" hält es für möglich, dass schon in sechs Wochen erste Entschädigungszahlungen geleistet werden können.
Die Wirtschaft fordert jedoch weiterhin Rechtssicherheit vor Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter. "Die deutsche Wirtschaft hat ein Niveau von Rechtssicherheit gefordert, das es einfach so nicht gibt", kritisiert Deirdra Berger vom "American Jewish Committee". Sie habe den Eindruck, dass auch alle zukünftigen Klagen im Vorfeld abgewiesen werden müssen.
Noch ist das Misstrauen der Betroffenen groß. Die Opferverbände fordern deshalb eine schnelle Weiterleitung der "vorhandenen" 5 Milliarden der Industrie auf die Konten der Stiftung. Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, hält dies nicht für notwendig: "Es geht darum, dass das Geld vorhanden sein muss und das Geld ist vorhanden".
Der Ausstieg aus dem Teufelskreis Rechtssicherheit - fehlendes Kapital ist ein zwar ein wichtiger Schritt, jedoch nicht die einzige Hürde auf dem Weg zur Entschädigung der NS-Opfer. Opferverbände klagen, dass die Industrie die Zwangsarbeiter nicht ausreichend unterstützt. Obwohl sich der Bundestag mit einer Entschließung an die Firmen gewandt hat, haben viele ehemalige Zwangsarbeiter Schwierigkeiten, Beschäftigungsnachweise zu erhalten. Während kommunale Archive Unterstützung geben, halten Unternehmen ihre Akten unter Verschluss. Deirda Berger vom "American Jewish Committee" fordert eine personelle Aufstockung bei Ämtern und Archiven, damit die NS-Opfer Belege für die geleistete Zwangsarbeit finden und die geschätzten eine Million Anträge bearbeitet werden können.
Im Gesetz zur Errichtung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" wird genau festgelegt, welche Beträge den NS-Opfern zustehen. Maximal 15.000 Mark stehen den Betroffenen zu. Wer Sklavenarbeit geleistet hat oder Personenschäden nachweisen kann, kann diesen Höchstbetrag erhalten. Für Zwangsarbeit in der Industrie und der Landwirtschaft erhalten die Opfer im Höchstfall 5.000. Die Summe wird in zwei Raten ausgezahlt: Je nach Anzahl der eingegangenen Anträge erhalten die Opfer zuerst 35-65 Prozent. Der Rest wird erst dann bezahlt, wenn alle Anträge geprüft worden sind - und wenn die Stiftungsgelder ausreichen. Die Ansprüche gehen nach dem Tod auf Angehörige oder Erben über, wenn die Antragsteller nach dem 16. Februar 1999 gestorben sind.
Quelle: ntv.de