Gipfel um fünf nach Zwölf Zeichen auf Erfolg für Merkel
08.03.2007, 07:42 UhrDie Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union stehen vor einem Durchbruch im Streit über den Ausbau der Ökoenergie.
Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt sagte nach intensiven Verhandlungen am Donnerstagabend in Brüssel: "Wir sind uns einig, dass wir ein Ziel für erneuerbare Energien brauchen und dass dieses verbindlich sein soll." Um das Wort "verbindlich" war vor dem Gipfel gestritten worden.
Die deutsche Ratspräsidentschaft unter Bundeskanzlerin Angela Merkel habe angekündigt, einen Beschlusstext mit dem Wort "verbindlich" vorzulegen, sagte Reinfeldt. Erst später solle geklärt werden, was dies für jedes einzelne Land bedeutet, so Reinfeldt.
Kompromiss mit Frankreich
Frankreich hatte vor dem Gipfel zusammen mit einigen osteuropäischen Ländern die von Merkel angestrebte verbindliche Festlegung auf erneuerbare Energien abgelehnt. Jetzt hieß es von Diplomaten, es gebe einen Kompromiss zwischen Frankreich und der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Über den genauen Inhalt des Kompromisses wurde zunächst nichts bekannt. Vor dem Kapitel über erneuerbare Energien soll das Schlussdokument aber offenbar auf Energien mit niedrigem Kohlendioxid-Ausstoß hinweisen - was Frankreich im Sinne seiner Atomindustrie interpretieren könnte.
Frankreichs Präsident Jacques Chirac hatte sich vor dem Gipfel bereit erklärt, die verbindliche Festlegung auf einen EU-weiten Ausbau der Ökoenergie zu akzeptieren. Er machte dies aber davon abhängig, dass die in Frankreich starke Atomkraft bei den Zielen für die einzelnen Länder berücksichtigt wird.
Merkel argumentierte dagegen, anders als Atomkraft müssten erneuerbare Energien staatlich gefördert werden, weil ihre Herstellungskosten noch nicht konkurrenzfähig seien. Dies habe sich in Deutschland etwa bei der Windkraft bewährt.
Merkel will erreichen, dass der Anteil erneuerbarer Energien - etwa aus Sonne, Wind oder Wasser - bis 2020 auf ein Fünftel ausgedehnt wird. Derzeit liegt der Anteil bei 6,5 Prozent.
Tschechien und Slowakei auf Atomkurs
"Es gab nur zwei oder drei Länder, die gegen verbindliche Ziele waren", hieß es aus Teilnehmerkreisen. Tschechien und die Slowakei hätten erklärt, sie könnten unmöglich 20 Prozent erneuerbare Energien erreichen. Diplomaten zufolge soll der EU-Gipfel in seinem Schlussdokument auf "legitime Sorgen" einzelner Länder eingehen. Die Kompromissformel würde nicht jedes einzelne Land zur Erfüllung des 20-Prozent-Ziels verpflichten.
Merkel habe die erste Diskussionsrunde mit dem Hinweis abgeschlossen, sie sei von den Beiträgen ermutigt, hieß es weiter. Über Nacht sollen nun Kompromisse formuliert werden. Die Kanzlerin betonte erneut, die EU wolle weltweit Vorreiter beim Klimaschutz sein. "Das Weltklima ist in der Tat in Gefahr. Ich glaube, da muss man sagen, es ist eher fünf nach Zwölf als fünf vor Zwölf", hatte sie am Vorabend in der ARD gesagt.
CO2-Ausstoß wird um 20 Prozent reduziert
Der EU-Energieaktionsplan, der auch ehrgeizige Klimaschutzziele bis 2020 vorsieht, soll am Freitag verabschiedet werden. Das Gipfeltreffen der 27 Staats- und Regierungschefs ist das erste unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft und das wohl letzte formelle, an dem Chirac teilnimmt.
Die EU-Staaten hatten sich bereits vor dem Gipfel darauf verständigt, ihren Treibhausgasstoß bis 2020 um ein Fünftel unter den Stand von 1990 zu senken. Sie wollen damit den Druck auf die USA und China erhöhen, sich ebenfalls zum Klimaschutz zu verpflichten. Für den Fall, dass andere Industrieregionen mitziehen, will die EU eine eigene Senkung um 30 Prozent ankündigen. Wieviel davon jedes Land schultern muss, soll erst später geklärt werden. Der deutsche Anteil dürfte deutlich über dem EU-Durchschnitt liegen.
Quelle: ntv.de