"Papst weiß was er tut" Zentralrat bricht Dialog ab
29.01.2009, 13:38 UhrDie Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat vorerst den Dialog mit Vertretern der katholischen Kirche abgebrochen. Sie ziehe damit die Konsequenzen aus der Rücknahme der Exkommunikation des traditionalistischen Bischofs Richard Williamson, sagte Knobloch der "Rheinischen Post". Williamson leugnet den Holocaust.
"Unter solchen Voraussetzungen wird es zwischen mir und der Kirche momentan sicher kein Gespräch geben, ich unterstreiche das Wort 'momentan'." Zu der von Papst Benedikt XVI. angeordneten Rücknahme der Exkommunikation sagte Knobloch: "Ich wünsche mir einen Aufschrei in der Kirche gegen ein solches Vorgehen des Papstes." An eine unbedachte Entscheidung glaube sie nicht: "Ich habe es hier nicht mit Menschen zu tun, die nicht wissen, was sie tun. Der Papst ist einer der gebildetsten und intelligentesten Menschen, die die katholische Kirche hat, und jedes Wort, das er ausspricht, das meint er auch, und das ist auch fundiert."
Juden in "tiefem Schock"
Die Juden in Deutschland befänden sich in einem "tiefen Schock", dass ausgerechnet ein deutscher Papst solch einen Schritt macht und einen Holocaust-Leugner rehabilitiert, sagte der Vize-Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann. "Ein deutscher Papst müsste hier sehr viel mehr Sensibilität haben." Der Dialog sei nun nicht für alle Zeiten beendet, der Schaden müsse aber von der katholischen Kirche behoben werden.
Graumann sieht das Vorspiel für die aktuellen Geschehnisse in der Wiederzulassung der Karfreitags-Fürbitte durch den Papst im vergangenen Jahr. Darin steht die Aufforderung zur Juden-Mission, außerdem wird von der "Verblendung" des jüdischen Volkes gesprochen. Der Streit hatte im vergangenen Jahr den Katholikentag in Osnabrück überlagert. Damals hatte der Rektor des Abraham Geiger Instituts der Universität Potsdam, Rabbiner Walter Homolka, zusammen mit anderen seine Teilnahme an dem Treffen abgesagt und damit eine Debatte über das jüdisch-katholische Verhältnis in Deutschland ausgelöst.
Bischof zeigt Verständnis
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, bemüht sich dennoch, "dass es schon bald zu einem Gespräch mit Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland kommt". Er werde sich nach allen Kräften bemühen, die regelmäßigen Gesprächsmöglichkeiten mit dem Judentum in Deutschland fortzusetzen. Es könne und dürfe keine Wende rückwärts im Dialog der beiden Religion geben.
Zollitsch zeigte Verständnis für die Reaktionen des Zentralrats. "Ich kann verstehen, dass unsere jüdischen Brüder betroffen sind", sagte er. Die zeitliche Verknüpfung der Veröffentlichung aus dem Vatikan und der Nachricht über den Holocaust-Leugner sei "bedauerlich, nein tragisch". Williamson müsse seine "absolut inakzeptablen" Äußerungen zurücknehmen. "Ich bin überzeugt, dass er das zurücknehmen muss und sich entschuldigen muss, wenn er in der katholischen Kirche bleiben will."
Zollitsch erklärte, er sei "unglücklich" darüber, dass der Papst die Äußerungen Williamsons bei seiner Entscheidung nicht mit in Betracht gezogen hat. "Wir müssen alles dafür tun, dass sich solche Äußerungen nicht wiederholen."
Unterhaus kritisiert Papst
In Großbritannien beschäftigte sich das Parlament mit dem Holocaust-Leugner. Abgeordnete aller Parteien im Unterhaus verurteilten Williamsons Wiederaufnahme in die katholische Kirche. Sadiq Khan von der Labour-Partei sagte, die "Unterstützung einer solchen Person ist höchst abstoßend". Die schottische Nationalpartei SNP forderte die Labour-Regierung auf, die Empörung über die Wiederaufnahme des britischen Bischofs beim Vatikan zum Ausdruck zu bringen. Der Abgeordnete der Konservativen, Julian Lewis, erklärte, Katholiken, Juden und Nicht-Gläubige in Großbritannien seien "entsetzt, über das, was der Papst da getan hat".
Telefonat mit Lammert
In einem Telefonat mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erörterte Knobloch derweil die Unstimmigkeiten um die Feier zum Holocaust-Gedenktag. Es habe sich um ein "freundschaftlich geprägtes" Gespräch gehandelt, wie Lammert nach Angaben eines Sprechers im Anschluss dem Ältestenrat des Parlaments sagte. Beide Seiten seien sich einig darüber gewesen, dass sie sich die öffentliche Wirkung des Vorgangs gerne erspart hätten.
Knobloch brachte den Angaben zufolge bei dem Gespräch zum Ausdruck, dass sie über das mediale Echo und die Wirkung des Vorgangs unglücklich sei. Lammert wies allerdings darauf hin, dass dies ausschließlich dem Wirken des Generalsekretärs des Zentralrates, Stephan Kramer, zuzuschreiben sei. Beide verständigten sich darauf, sehr bald zu einem persönlichen Gespräch zusammenzutreffen.
Der Zentralrat der Juden war der Feierstunde des Bundestages zum Holocaust-Gedenktag am Dienstag mit der Begründung ferngeblieben, seine Vertreter seien bei der Feier nie persönlich begrüßt worden. Dies hatte im Bundestag Verwunderung ausgelöst. Lammert machte in dem Telefonat deutlich, dass sich hierüber sicherlich einvernehmliche Regelungen im Vorfeld hätten finden lassen.
Quelle: ntv.de