Was bei welchem Urteil droht Zerstört der Prozessausgang Trumps Chance aufs Weiße Haus?
23.05.2024, 10:10 Uhr Artikel anhören
Schuldig oder nicht? Das könnte auch für den Ausgang der US-Wahl entscheidend werden.
(Foto: picture alliance/dpa/Pool Reuters/AP)
Donald Trump will im November zum zweiten Mal US-Präsident werden. Derzeit stehen seine Chancen in Umfragen gut. Ob das so bleibt, hängt auch vom Gerichtsurteil im Schweigegeldprozess ab. Welche Folgen hätten ein Schuldspruch, ein Freispruch und welche ein geplatztes Verfahren? Ein Überblick.
Im historischen Schweigegeld-Prozess gegen Ex-US-Präsident Donald Trump wird demnächst mit einem Urteil gerechnet. Je nachdem, wie es ausfällt, könnte es erhebliche Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahl im November haben, bei der Trump die Revanche gegen den jetzigen Amtsinhaber Joe Biden sucht und als Kandidat der Republikaner das Weiße Haus zurückerobern will. Es folgt ein Überblick, wie sich ein Schuldspruch oder ein Freispruch auf den Wahlkampf auswirken könnten - oder was passiert, wenn die zwölf Geschworenen, die das Urteil im ersten Strafprozess gegen einen ehemaligen US-Präsidenten fällen müssen, zu keinem einstimmigen Ergebnis kommen.
Der Prozess dreht sich um die Zahlung von 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels kurz vor der Wahl 2016. Um Trumps Wahlchancen nicht zu gefährden, sollte sie mit dem Geld davon abgebracht werden, eine von ihr behauptete Affäre mit Trump im Jahr 2006 öffentlich zu machen. Während die Zahlung als solche zwar nicht illegal war, soll Trump Geschäftsunterlagen gefälscht haben, um den wahren Grund der Zahlung zu verschleiern. Trump plädiert auf nicht schuldig und streitet auch ab, eine Affäre mit Daniels gehabt zu haben.
Schuldig
Ein Schuldspruch könnte Trumps Chancen auf einen Wahlsieg empfindlich dämpfen. Das legt eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Meinungsforschungsinstituts Ipsos von April nahe. Darin geben ein Viertel der in den Wählerverzeichnissen eingetragenen Anhänger der Republikaner an, dass sie nicht für Trump stimmen würden, wenn dieser in einem Strafprozess schuldig gesprochen wird. Zudem erklären 60 Prozent der noch nicht festgelegten Wähler, Trump ihr Kreuzchen zu verweigern, wenn er eines Verbrechens überführt wird.
Das ist umso relevanter, als dass die Wahl im November womöglich nur anhand weniger Tausend Stimmen Unterschied in einer Handvoll Bundesstaaten entschieden wird. Wenn nur einige wenige gemäßigt konservative Republikaner und Unabhängige durch einen Schuldspruch abgeschreckt werden, könnte Biden davon bei einem knappen Wahlverlauf profitieren.
Allerdings bezweifeln Meinungsforscher der Republikaner wie etwa Whit Ayres, dass tatsächlich so viele Parteifreunde Trump im Falle einer Verurteilung an der Wahlurne den Rücken kehren würden. Der Wahlexperte verweist darauf, dass der Schweigegeld-Prozess von einem Staatsanwalt, der Mitglied von Bidens Demokraten ist, eingeleitet wurde und es ein solches Verfahren in der Art noch nie gegeben habe. Allein das werde Trump helfen, einen Schuldspruch als politische "Hexenjagd" darzustellen - eine Formulierung, die der Ex-Präsident oft benutzt.
Bill Galston, ein Analyst bei der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution und einstiger Mitarbeiter des früheren Präsidenten Bill Clinton von den Demokraten, geht nicht davon aus, dass ein Schuldspruch erhebliche Folgen für den Wahlkampf haben würde. "Letztendlich geht es um Lügen über Sex. Ich denke, die meisten Amerikaner vertreten wahrscheinlich die Ansicht, dass jeder lügt, wenn es um Sex geht."
Im Falle eines Schuldspruchs muss Richter Juan Merchan anschließend das Strafmaß festlegen. Trump drohen bis zu vier Jahre Haft. Allerdings könnte er als Ersttäter wohl mit einer deutlich milderen Strafe rechnen. Auch kann eine Gefängnisstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden oder es wird eine Geldstrafe verhängt. Zudem ist davon auszugehen, dass Trump in Berufung gehen würde, was das Verfahren in die Länge ziehen dürfte - womöglich bis über den Wahltermin am 5. November hinaus.
Nicht schuldig
Bei einem Freispruch sind sich sowohl Experten der Republikaner als auch der Demokraten einig: Das wäre ein klarer Sieg für Trump - zumal er von Anfang an behauptet hat, dass der Prozess politisch motiviert und nur darauf ausgerichtet sei, seiner Präsidentschaftsbewerbung zu schaden. Im Wahlkampf könnte er einen Freispruch nutzen, um seine Behauptung zu untermauern, dass auch die anderen Fälle, mit denen er sich konfrontiert sieht, keine rechtliche Grundlage haben, meint die republikanische Beraterin Tricia McLaughlin. "Das ist tolles Futter für ihn. Er wird sagen: 'Ich habe diesen Scheinprozess gewonnen, diese Hexenjagd in New York. Und das wird auch bei den anderen Prozessen passieren.'"
Karen Finney, eine Beraterin der Demokraten, geht davon aus, dass sich Trumps Kernanhängerschaft durch einen Freispruch bestätigt sehen dürfte. Allerdings - so sagt sie - könnte Trump dennoch auch im Falle eines Freispruchs Schaden davongetragen haben, angesichts der pikanten Details, die während der Zeugenverhöre bekannt wurden, und des Vorwurfs, dass er eine Schweigegeldzahlung an einen Pornostar arrangiert habe. Gerade Wählerinnen in den Vorstädten, bei denen sich Trump ohnehin schwertut, könnten dadurch verprellt werden.
Geplatztes Verfahren
In dem Strafverfahren müssen die Geschworenen einstimmig zu einem Urteil gelangen. Gelingt dies nicht, spricht man von einer "hung jury". Richter Merchan müsste dann einen Fehlprozess ("mistrial") erklären. Das Verfahren würde vorerst enden, und zwar weder mit einem Schuld- noch einem Freispruch. Trump würde nach Überzeugung von Experten auch das als Sieg für sich reklamieren, allerdings brächte es ihm nicht die Bestätigung, die ihm ein Freispruch bescheren würde.
Beraterin Finney merkt an, ein "mistrial" würde den Wählern klarmachen, dass mindestens ein Juror Trump für schuldig halte. Sie verweist zudem darauf, dass unabhängig vom Ausgang des Prozesses Trump nicht mehr dem Maulkorb unterliegen würde, den das Gericht ihm auferlegt hatte. Es sei damit zu rechnen, dass er nach Abschluss des Prozesses noch schärfere Tiraden gegen seine Kontrahenten und Widersacher abfeuern werde.
Quelle: ntv.de, Tim Reid und Christian Rüttger, rts