Zuwanderungsgesetz in Karlsruhe Ziehen Richter an Stolpes Ohren?
16.07.2002, 07:04 UhrDie Klage von sechs unionsregierten Bundesländern gegen das Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung ist beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingegangen. Dies bestätigte eine Sprecherin des Gerichts. Nach Angaben der bei der Klage federführenden saarländischen Staatskanzlei in Saarbrücken war die Klageschrift am Montagnachmittag per Post zum Gericht nach Karlsruhe geschickt worden.
Brandenburgs früherer Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) erklärte, er rechne damit, dass das Gesetz in Karlsruhe Bestand haben werde. Allerdings könne es sein, dass erneut "die Unschärfen in der Abstimmung" gerügt würden. "Möglicherweise wird das Bundesverfassungsgericht noch einmal an meinen Ohren ziehen", sagte Stolpe.
Urteil nicht vor der Wahl
Das Gericht deutete an, dass sich der zuständige zweite Senat mit der Prüfung des Falles Zeit lassen werde. Vor der Bundestagswahl am 22. September sei nicht mit einer mündlichen Verhandlung zu rechnen. Denkbar sei jedoch eine Entscheidung noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2003.
Aus Sicht der klagenden Länder ist das Zuwanderungsgesetz "auf Grund der uneinheitlichen Stimmabgabe Brandenburgs im Bundesrat nicht zu Stande gekommen". Bei den Klägern handelt es sich um das Saarland, Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen. Die Staatsrechtler Josef Isensee und Christian Strack hatten den entsprechenden Antrag verfasst, sie sind nun auch die Prozessbevollmächtigten der Länder.
SPD sauer
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat die Union wegen der Klage scharf kritisiert. Der Umgang von CDU und CSU mit dem Zuwanderungsgesetz sei unverantwortlich, erklärte Müntefering. Die Union spiele ungeniert mit der Fremdenangst, wenn sie, wie ihr Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU), von bis zu 600.000 Zuwanderern jährlich rede. Das Zuwanderungsgesetz regele und steuere die Arbeitsmigration nachdrücklich. Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller sagte, die Klage sei "ein weiterer Akt im Empörungstheater der Union".
Ursprung des Konflikts
Bundespräsident Johannes Rau hatte das umstrittene rot-grüne Zuwanderungsgesetz am 20. Juni unterzeichnet. Das Gesetz kann damit eigentlich am 1. Januar 2003 in Kraft treten. Es soll die Zuwanderung neu regeln und steuern.
Die rechtlich höchst umstrittene Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes hatte am 22. März zu einem bisher einmaligen Eklat im Bundesrat geführt. Ausschlaggebend war ein so genanntes geteiltes Votum des Landes Brandenburg, das Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) als Zustimmung wertete: Er berief sich dabei auf Artikel 51 des Grundgesetzes, nach dem ein Land nur einheitlich abstimmen kann - und erkannte das Ja von Stolpe als maßgeblich an. Aus zeitlichen Gründen ist es eher unwahrscheinlich, dass Karlsruhe noch vor der Bundestagswahl über die Klage der Union entscheidet.
Quelle: ntv.de