Bombenattentat auf Airbus über Sinai "IS-Anschlag ist wahrscheinlich"
05.11.2015, 13:01 Uhr
Was genau geschah mit Flug 9268? Die Hinweise verdichten sich, dass der IS für den Absturz verantwortlich ist. n-tv Terrorismusexperte Michael Ortmann erklärt, was für einen Terrorakt spricht.
n-tv: Die Bekennerbotschaften, die es bis jetzt gibt, halten Sie die für authentisch?
Michael Ortmann: Noch laufen die Ermittlungen, noch kann es vielleicht in zwei Wochen eine ganz andere Informationslage geben. Aber im Moment würde ich sagen: Ja, die Bekennerbotschaften sind authentisch und ja, der IS hat seine Finger im Spiel.
Könnte es nicht auch eine Form der Wichtigtuerei sein?
Es stimmt, Bekennerbotschaften kann man natürlich schnell in die Welt setzen. Das machen Terrorgruppen auch gerne mal. Mal bekennen sie sich gar nicht, mal bekennen sie sich zu Anschlägen, mit denen sie eigentlich gar nichts zu tun haben.
Was spricht im konkreten Fall dafür, dass der Islamische Staat einen Anschlag auf die Maschine verübt hat?
In diesem Fall - wie immer bei Anschlägen im internationalen Luftverkehr - muss jeder davon ausgehen, dass es ganz weitreichende Ermittlungen geben wird. Dass sich relativ schnell herausstellen wird, ob es sich um einen Anschlag handelt oder nicht. Da sich der Islamische Staat so schnell zu einem Attentat auf Flug 7K9268 bekannt hat, mit dem Wissen, dass große Ermittlungen folgen, kann man wohl davon ausgehen, dass der IS weiß, dass es sich um einen Anschlag handelt. Der IS bekennt sich dazu, er möchte relativ schnell deutlich machen: Wir sind aktiv und wir schlagen international auch im Luftverkehr zu. Deshalb glaube ich, dass man tatsächlich auch den IS als Täter sehen sollte.
Nun machen ja jedes Jahr Tausende Deutsche in Scharm el Scheich und Umgebung Urlaub am Roten Meer. Wie stark sind denn der IS und ähnliche Terrororganisationen gerade in dieser bei Urlaubern so beliebten Region?
Der Sinai ist ein sehr spannendes und sehr anstrengendes und sehr schwieriges Gebiet. Unten im Süden, wo der Tourismus beheimatet ist, dort ist es zuweilen noch relativ entspannt, weil dort viele Sicherheitskräfte auch für eine gewisse Sicherheit sorgen. Oben im Norden, das ist eine Region, in der sind seit Tausenden Jahren Beduinenstämme unterwegs, die sich aus Kairo nichts sagen lassen. Diese Region war touristisch nie von Bedeutung. Es gab dort zudem immer wieder Auseinandersetzungen mit Israel. Deshalb hat die Zentralregierung in Kairo dort übrigens auch nicht großartig investiert.
Die Gefahr geht also vom Norden aus?
Ja, genau. Im Laufe der Zeit konnten sich dort Terrorgruppen herausbilden, Drogenhändler haben sich dort angesammelt. Es gibt dort riesige, sehr lukrative Schmuggelrouten. Dort sind Tausende von Terroristen - Al Kaida ist dort aktiv, der Islamische Staat – das ist tatsächlich ein großer wunder Punkt, der Norden.
Was kann man dagegen tun?
Es ist schwierig. Es ist ein Niemandsland entstanden, das jetzt kaum noch unter Kontrolle zu bringen ist. Es besteht auch die Gefahr, dass sich der Terror auf das ganze Land erstreckt. Wichtig ist: Man muss sich um die Region kümmern, muss sich wirtschaftlich engagieren, muss mit Sicherheitskräften für Ruhe sorgen, muss mit den Stämmen reden, muss die Terroristen vertreiben. Es ist nicht leicht, es wird nicht schnell gehen. Es wird Jahrzehnte dauern, denn auch die ägyptische Gesellschaft ist schon lange gespalten und es gibt starke religiöse, aber auch starke westliche Einflüsse. Und vor allem muss es eine Regierung geben, die dazu gewillt ist, sich engagieren zu wollen. Das alles ist im Moment leider nicht erkennbar.
Quelle: ntv.de