Konservative gewinnen Parlamentswahl Griechen stimmen für den Euro
17.06.2012, 22:27 Uhr
Es reicht: Konservative und Sozialisten erreichen im neuen Parlament eine eigene Mehrheit.
(Foto: REUTERS)
Ob das Erreichen des Viertelfinals bei der Fußball-EM Auswirkungen auf die griechische Parlamentswahl hatte? Fest steht: Die Befürworter des Sparkurses gewinnen die Mehrheit. Das linke Bündnis Syriza, das die Sparauflagen ablehnt, gesteht die Niederlage ein. Die Finanzmärkte reagieren erleichtert, der Euro steigt auf ein Vier-Wochen-Hoch.
Bei der Schicksalswahl zum Euro in Griechenland haben die Befürworter des Sparkurses nach amtlichen Hochrechnungen die Führung errungen. Die Nea Dimokratia (ND) kam demnach auf 29,5 Prozent der Stimmen und kann ein Regierungsbündnis mit der sozialistischen Pasok bilden. Das radikale Linksbündnis Syriza räumte seine Niederlage ein. Dies habe Partei-Chef Alexis Tsipras dem Vorsitzenden der konservativen ND, Antonis Samaras, in einem Telefonat mitgeteilt, erklärte ein Syriza-Sprecher.

Das Handzeichen, das Konservativen-Chef Samaras hier vermutlich unabsichtlich zeigt, stammt aus "Star Trek". "Live long and prosper", heißt es dazu - lebe lang und in Wohlstand.
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ND-Chef Samaras kündigte an, er werde so schnell wie möglich eine Regierung bilden. "Ich bin erleichtert, ich bin erleichtert für Griechenland und Europa", so Samaras. "Das griechische Volk hat für den Euro gestimmt." Griechenland werde seine Verpflichtungen erfüllen und mit den europäischen Partnern an Fortschritten in der Wachstumspolitik arbeiten. Samaras rief alle politischen Kräfte auf, sich an der Regierung zu beteiligen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle signalisierte der neuen Führung Entgegenkommen beim Zeitplan für die Umsetzung der Sparauflagen. Der Euro stieg nach der Wahl auf ein Vier-Wochen-Hoch.
Die Konservativen kamen nach ersten Hochrechnungen auf 128 Sitze im Parlament. Die Pasok dürfte 33 der insgesamt 300 Sitze erhalten. Das Linksbündnis Syriza, das die Sparauflagen des Euro-Rettungspakets kippen will, landete demnach mit 27,1 Prozent und 72 Sitzen auf dem zweiten Platz. Insgesamt waren rund 9,9 Millionen stimmberechtigte Grieche an die Urnen gerufen worden. Der Pasok-Vorsitzende Evangelos Venizelos warb für eine Einbeziehung der Syriza in das Regierungsbündnis. Syriza-Chef Tsipras kündigte an, das Bündnis werde seinen Kampf gegen das Sparpaket fortsetzen.
Notfallmaßnahmen geplant
Während der Wahl wurden vor dem Sitz der privaten Medien-Gruppe Skai in der Hafenstadt Piräus zwei Granaten gefunden. Unbekannte hatten die Sprengkörper in den Hinterhof des TV-Senders geworfen, sie explodierten jedoch nicht. Sprengstoffexperten rückten an, um die Granaten zu entschärfen. Zuvor hatte ein Unbekannter den Sender angerufen und gewarnt. Der griechische Regierungssprecher Dimitris Tsiodras verurteilte die Aktion. Der Sender Skai gilt als proeuropäisch und setzt sich für tiefgreifende Reformen im griechischen Staat ein. Bereits am 5. Juni hatten Unbekannte einige Brandflaschen gegen das Gebäude des Senders geschleudert.
Für den Fall eines Wahlsiegs der Reformgegner waren schwere Verwerfungen an den Finanzmärkten befürchtet worden. Von Tokio bis London hielten sich die Zentralbanken nach Informationen von Reuters bereit, um bei Bedarf Geld in den Markt zu pumpen und Turbulenzen abzufedern. Als Notfallmaßnahme wurde zudem darüber nachgedacht, die Summe der Abhebungen an Geldautomaten zu beschränken, Grenzkontrollen einzurichten und den Kapitalverkehr in der Euro-Zone zu kontrollieren.
Aus der Bankenwelt kamen noch am Abend erste vorsichtige Signale der Erleichterung. "Sofern sich die aktuellen Hochrechnungen bestätigen, ist das eine gute Nachricht für Griechenland, die Euro-Zone und die internationalen Finanzmärkte", erklärte der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands.
Das Wahlergebnis in Griechenland wird auch den G20-Gipfel in Mexiko beherrschen. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) verlangen von der neuen Regierung, dass sie die harten Sparauflagen des im März vereinbarten Rettungspakets über 130 Milliarden Euro akzeptiert. Andernfalls soll dem Land der Geldhahn abgedreht werden. Zwar bekennen sich alle großen griechischen Parteien zu der Gemeinschaftswährung. Tsipras wollte im Falle eines Wahlsiegs aber die Bedingungen für die Finanzhilfen kippen. Er setzte darauf, dass die anderen Euro-Staaten die Schockwellen an den Finanzmärkten nicht riskieren würden, die ein Austritt der Griechen aus der Euro-Zone nach sich ziehen dürfte.
Inhalte sind nicht verhandelbar
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Plänen des 37-jährigen Tsipras am Samstag erneut eine klare Absage erteilt. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die sich nicht an Abmachungen hielten, jeden anderen "am Nasenring durch die Manege führen", erklärte sie. Andere Politiker machten deutlich, inhaltlich gebe es keinen Verhandlungsspielraum, aber bei der Umsetzung sei Flexibilität möglich. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir über Zeitachsen reden vor dem Hintergrund des Stillstandes in Griechenland in den vergangenen Wochen", sagte Westerwelle der ARD. Samaras hatte zwei Jahre mehr Zeit zur Umsetzung der Sparauflagen gefordert.
Tsipras hatte in den vergangenen Wochen einen kometenhaften Aufstieg hingelegt, nachdem die Politik jahrzehntelang von den beiden großen Parteien - der sozialistischen Pasok und der konservativen ND - dominiert worden war. Der Neueinsteiger punktete bei den leidgeplagten Griechen, die durch fünf Jahre tiefe Rezession sowie die steigende Steuerlast und scharfe Einschnitte bei den Sozialausgaben zermürbt sind. Viele Wähler sind wütend auf die etablierten Parteien, die sie für jahrzehntelange Korruption und Verschwendung, die ruinierte Wirtschaft und eine der höchsten Schuldenlasten der Welt verantwortlich machen.
"Ich bin das erste Mal nach einer Wahl deprimiert, weil ich weiß, dass ich wieder für die gestimmt habe, die das Problem verursacht haben; aber wir haben keine Alternative", sagte die 66-jährige Englischlehrerin Koula Louizopoulou. Trotz der Unzufriedenheit über die harten Sparmaßnahmen haben viele Griechen Angst vor einem Euro-Aus. "Ich habe schweren Herzens für eine Partei gestimmt, die den Sparkurs unterstützt, denn ich will, dass das Land den Euro behält mit der Hilfe seiner europäischen Partner", erklärte der Bäcker Stratos Economou.
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb von sechs Wochen, dass die griechische Bevölkerung zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen war. Nach der ersten Abstimmung am 6. Mai hatten sich die Parteien nicht auf eine Regierungskoalition verständigen können.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP/rts