Das wilde Leben des Ivan Kral "Dancing Barefoot"
11.11.2006, 17:20 UhrAuf der Landkarte des Rock'n'Roll besitzt die tschechische Hauptstadt Prag eher die Bedeutung eines böhmischen Dorfes. Trotzdem hat es ein Musiker der Moldau-Metropole bis nach oben geschafft: Ivan Kral. Der Gitarrist emigrierte 1966 im Alter von 18 Jahren in die USA und stand mit allen Großen des Rock auf der Bühne. 1993 kehrte er erstmals in seine Heimat zurück. Seitdem pendelt Kral zwischen Alter und Neuer Welt: Er betreut in Michigan seine 90-jährige Mutter und produziert, in Prag berät er Bands und absolviert manchmal einen Auftritt -ab und zu auch in Deutschland.
Genau 40 Jahre nach seiner Flucht aus der kommunistischen Tschechoslowakei liest sich die Biografie des 58-Jährigen wie ein Rock-Lexikon: Kral musizierte mit David Bowie ("Heroes") und Bono Vox (U2) und ist der einzige Komponist aus Osteuropa, der es in der Liste des Fachmagazins "Rolling Stone" unter die Autoren der "500 besten Rocksongs" schaffte - mit "Dancing Barefoot" (Platz 382). Er selbst steht dem Ruhm eher kritisch gegenüber: "Ich mag es nicht, wenn mein Lebenslauf mit solchen Superlativen gepflastert wird."
Ortstermin Prag-Zizkov: In dem populären Club "Akropolis" spielte Kral vor kurzem eins seiner wenigen Konzerte in der "Goldenen Stadt". "Ich präsentiere mich mit all meinen Fehlern und Falten und mit jenen Blues- und Rock-Liedern, die sogar meine Generation fast vergessen hat", ruft Kral von der Bühne. Das Publikum jubelt. Der Raum ist verraucht, die Zuhörer stehen gedrängt, der Auftritt war lange zuvor ausverkauft. Den Hit "Dancing Barefoot" hatte Kral für die LP "Wave" (1979) der Sängerin Patti Smith geschrieben. Manchmal wirke Musik wie Heroin, heißt es darin, und der Vergleich passte damals bestens.
Denn der tschechische Republikflüchtling hatte seinerzeit schnell Anschluss an die US-Szene gefunden, spielte in der Patti Smith Group, freundete sich mit der Monsterband KISS an und rockte mit den Underground-Ikonen Iggy Pop und John Cale: "Ein Wunder, dass ich diesen Drogendschungel überlebt habe." Nach einem Konzert in Westberlin sei er mal eben durch die nächtliche DDR gefahren, um in Hamburg Udo Lindenberg zu treffen, erzählt Kral. Lindenberg erinnert sich recht gut daran: "Das war eine Begegnung der Welten: die damalige CSSR, die USA und das alte Berlin - welch eine Collage. Und welch eine Neugierde! Wir schlossen Freundschaft fürs Leben."
Persönlich habe er Exzesse gemieden, meint Kral: "Wenn ich in der CSSR geblieben wäre, hätte ich mich wohl als Regimegegner totgetrunken. Ein Musikerleben hältst du aber nur aus, wenn du dich in der Hand hast. Sonst ist alles eine Irrfahrt durch Konzerthallen und Drogen. Kurt Cobain, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison sind mit 27 gestorben. Ich habe mit 27 meine erste Platte aufgenommen." Zuvor hatte er sich sein Studium der französischen Literatur in den USA unter anderem als Lkw-Fahrer und Pfannkuchenverkäufer verdient.
Mit seiner Heimat, die ihn einst ausbürgerte, hat er sich längst versöhnt: Als Präsident Vaclav Havel am 30. Januar 2003 nach 13 Amtsjahren seinen Abschied mit einer Gala im Prager Nationaltheater feierte, war Kral der Star. "Ein ehemaliger Exilant spielt auf Tschechiens führender Bühne für einen ehemaligen Häftling: kein schlechtes Happy End", kommentierte der Rocker damals trocken.
Quelle: ntv.de