Dossier

SPD greift von der Leyen an "Das klappt in diesem Jahr nicht mehr"

Arbeitsministerin von der Leyen im Bundesrat

Arbeitsministerin von der Leyen im Bundesrat

(Foto: dapd)

Die SPD wirft Bundesarbeitsministerin von der Leyen vor, die Hartz-IV-Reform verschleppt zu haben. Es wäre durchaus möglich gewesen, den erhöhten Satz zum 1. Januar auszuzahlen, sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ferner. "Das verweigert Frau von der Leyen, obwohl sie es ursprünglich selbst in Aussicht gestellt hatte." Nun sei es für eine pünktliche Auszahlung zu spät. Ferner fordert, den Gesetzentwurf komplett neu zu verhandeln. Einen Tauschhandel schließt sie aus: "Wir können doch nicht verfassungsrechtliche Bedenken zurückstellen, nur weil die Regierung sagt, sie bietet den Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche an".

n-tv.de: Arbeitsministerin von der Leyen hat angekündigt, dass es ohne Gesetz keine Auszahlung der erhöhten Hartz-IV-Bezüge geben wird. Wie wollen Sie verhindern, dass die SPD am Ende als Blockierer dasteht?

Elke Ferner ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.

Elke Ferner ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.

(Foto: spdfraktion.de)

Elke Ferner: Es ist doch Frau von der Leyen, die hier blockiert. Sie hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, die Bundesagentur anzuweisen, die fünf Euro anzuweisen, denn dieser Betrag wird im Vermittlungsausschuss mit Sicherheit nicht unterboten. Gleiches gilt für die Bildungsteilhabe. Zudem hat sie den engen Zeitplan zu verantworten, denn das Verfassungsgerichtsurteil datiert vom 9. Februar, und das Kabinett hat den Gesetzentwurf erst am 20. Oktober beschlossen.

Ist eine Auszahlung zum 1. Januar überhaupt noch möglich?

Nein, durch die Feiertage ist das so gut wie unmöglich. Was bis heute Mitternacht nicht von der Bundesagentur für Arbeit angewiesen wird, kann nicht zum 1. Januar ausgezahlt werden. Das ist ein Datenträger mit ein paar Millionen Überweisungen, das geht über die Bundesbank an die Landesbanken und wird dann auf die einzelnen Kreditinstitute verteilt. Wenn Frau von der Leyen der Öffentlichkeit vorgaukelt, man könne das Gesetz noch zum 1. Januar haben, dann ist das bar jeder Realität.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat vor der Sitzung des Bundesrats gesagt, "ein solcher Murks" sei noch nie präsentiert worden.

Da hat er recht.

Worüber wollen Sie im Vermittlungsausschuss dann noch verhandeln?

Wir müssen über alle Punkte verhandeln. Die Regelsätze müssen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils entsprechen, das tun sie derzeit nicht. Das Teilhabepaket ist schwer administrierbar, über 100 Millionen Euro gehen in die Bürokratie. Der Kreis der Berechtigten ist uns zu klein. Und wir wollen die Teilhabe langfristig mit Ganztagseinrichtungen in Kitas und Schulen sicherstellen. Dazu braucht man Vereinbarungen über die politischen Ebenen hinweg. Starten kann man da nach unserer Auffassung mit einem Programm für Schulsozialarbeit, mit dem pro Schule wenigstens eine Stelle finanziert werden sollte, um insbesondere in den sozialen Brennpunkten mehr für die Kinder tun zu können.

Warum entsprechen die Regelsätze im Gesetzentwurf der Koalition nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts?

Es sind methodische Fehler darin, zum Beispiel bei einzelnen Ausgabepositionen, die herausgerechnet wurden. Das kann man machen; das beliebteste Beispiel ist Tabak. Aber wenn man es macht, muss man es methodisch richtig machen, dann hätte man alle Haushalte, in denen Tabak konsumiert wird, aus der Referenzgruppe herausnehmen müssen, denn die Nichtraucher legen das Geld ja nicht auf die hohe Kante, sondern geben es für etwas anderes aus. Die Referenzgruppe besteht aus nur 15 statt vorher 20 Prozent der unteren Einkommenshaushalte, dafür sind die Aufstocker in der Referenzgruppe noch drin. Damit entstehen Zirkelschlüsse, die das Verfassungsgericht klar kritisiert hat. Bei den Kinderregelsätzen beruht ein sehr großer Anteil der Ausgabenpositionen auf völlig unvaliden Daten, teilweise auf einer Datenbasis von weniger als 25 Haushalten, sehr viele Positionen auf einer Datenbasis von weniger als 100 Haushalten. Das ist im Prinzip wie Lottospielen - da können Sie einen Sechser haben, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Sie daneben treffen, ist deutlich höher.

Das klingt, als müsse man noch einmal ganz von vorn anfangen.

Wir wollen so zügig wie möglich verhandeln. Aber es müssen substanzielle Veränderungen stattfinden. Unsere Vorschläge liegen seit Wochen auf dem Tisch, die Koalition ist darauf bislang nicht eingegangen.

Bis 1. Januar wird es also nichts mehr.

Die Berechnung der Regelsätze sei "mit aller gebotenen Transparenz" zustande gekommen, sagte von der Leyen im Bundesrat.

Die Berechnung der Regelsätze sei "mit aller gebotenen Transparenz" zustande gekommen, sagte von der Leyen im Bundesrat.

(Foto: REUTERS)

Da Frau von der Leyen der Auffassung ist, dass es ohne Gesetz keine Auszahlung geben kann: Nein. Denn selbst wenn man am kommenden Montag zu einer Einigung käme, müssten der Bundestag und der Bundesrat jeweils noch eine Sondersitzung machen, um das Vermittlungsergebnis zu akzeptieren. Das klappt in diesem Jahr nicht mehr.

Würden Sie Mindestlöhne für Zeitarbeiter als Teil eines Kompromisses akzeptieren?

Wir können doch nicht verfassungsrechtliche Bedenken zurückstellen, nur weil die Regierung sagt, sie bietet den Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche an - zumal sie den ohnehin schon in der Pipeline hat.

Wenn die Koalition Ihren Bedenken entgegenkäme - wie lange würde es dauern, bis das Gesetz steht?

Die Daten liegen beim Statistischen Bundesamt vor, wenn man denen eine Formel gibt, dann sind die durchaus in der Lage, schnell ein Ergebnis zu präsentieren. Das ist die einfachste aller Operationen.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe klingt nicht übermäßig konsensorientiert, wenn er sagt, die SPD "zockt auf dem Rücken der Kinder". Glauben Sie, dass es eine Einigung gibt?

Die wollen jetzt ihr eigenes Unvermögen bei uns abladen, weil sie zu spät mit dem Gesetzentwurf über die Rampe gekommen sind. Rheinland-Pfalz hat heute im Bundesrat beantragt, dass die Zahlungen ab dem 1. Januar stattfinden. Das verweigert Frau von der Leyen, obwohl sie es ursprünglich selbst in Aussicht gestellt hatte. Nicht die SPD zockt auf dem Rücken der Kinder und der Familien, es ist Frau von der Leyen.

Mit Elke Ferner sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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