Weltklima kaufen Der Deal mit Regenwäldern
06.12.2007, 12:27 UhrEs ist ein einmaliges Angebot, das der Präsident von Guyana Großbritannien da auf dem Präsentierteller bietet: einen ganzen Regenwald, so groß wie England. Die Guyaner versprechen, den Wald zu pflegen, die Bäume nicht abzuholzen und wollen im Gegenzug von den ehemaligen Kolonialherren in London Entwicklungsgelder. Das ist ein Deal, der Großbritannien auf einen Schlag für ein Jahr emissionsneutral machen würde - der Regenwald von Iwokrama speichert so viel Kohlenstoff, wie Großbritannien in Form von Kohlendioxid jährlich produziert.
Den Regenwaldnationen ist es ernst mit solchen Vorschlägen. Sie wollen bei der Weltklimakonferenz in Nusa Dua auf Bali durchsetzen, dass der Schutz der Wälder, die als enorme Kohlenstoffspeicher dienen und das Weltklima regulieren helfen, im nächsten Klimaschutzvertrag als Beitrag zum Klimaschutz anerkannt und vor allem finanziell vergütet wird. "Wir wollen keine Almosen", sagte Guyanas Präsident Bharrat Jagdeo im BBC-Rundfunk. "Es ist ein Geschäft."
Die Regenwälder umfassen zwar nur sieben Prozent der Landfläche der Erde, enthalten aber Unmengen an Kohlenstoff, der beim Verbrennen oder Verrotten als Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangt. Sie ziehen sich wie ein "Kühlgürtel" um den Äquator, von Südamerika über Zentralafrika bis nach Südostasien, und beheimaten fast die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten. Die ganze Welt ist darauf angewiesen.
Kahlschlag wegen Bodenschätzen, Weideland oder Plantagen
In Guyana wächst der Druck, die gut 20 Millionen Hektar Wald kommerziell auszuschlachten. Das Holz ist wertvoll, und im Boden wird Gold vermutet. In Brasilien suchen immer mehr Viehfarmer ein Auskommen, in dem sie Regenwaldgebiete abholzen und in Weide verwandeln. In Indonesien werden die Wälder vor allem abgeschlagen, um Platz für Palmölplantagen zu machen. Der Biodieselboom in Europa mit der inzwischen umstrittenen EU-Direktive, den Anteil der Agrartreibstoffe bis 2020 auf zehn Prozent zu steigern, heizt die Zerstörung der Regenwälder an. "Waldschutz ist der wirksamste und preiswerteste Klimaschutz", sagt die deutsche Umweltorganisation "Rettet den Regenwald". "Die Festlegung von Biosprit-Anteilen im Diesel führt zu Regenwaldvernichtung pur."
"Wir schätzen, dass jedes Jahr 14 Millionen Hektar Regenwald abgeholzt werden", sagt Celia Harvey von der Umweltorganisation "Conservation International" auf Bali. Die dadurch entstehenden Emissionen machen etwa 20 Prozent der gesamten weltweiten Treibhausgase aus - so viel wie die USA als weltgrößter Verschmutzer produzieren und mehr als der gesamte Auto- und Flugverkehr zusammen. Wenn in die Klimabilanz eingerechnet wird, wie viel CO2 durch das Abholzen in die Atmosphäre gelangt, gehören Brasilien und Indonesien zu den vier größten Treibhausgaserzeugern der Welt.
Abholzung stoppen durch Kompensationszahlungen
Die Zerstörung kann laut Harvey nur mit Kompensationszahlungen gestoppt werden, "die erstens die Kosten für die Bestandsaufnahme der Flächen abdecken, zweitens den Einnahmeausfall aus der dann verhinderten Abholzung und Plantagenpflanzung und drittens das Forstmanagement mit Zäunen und Wachen, die illegale Holzfäller abhalten". Den Preis dafür festzulegen ist hochkompliziert.
Zudem fürchten zum Beispiel die Brasilianer, die am Amazonas einen Teil des größten zusammenhängenden Regenwaldgebietes der Erde haben, dass ihnen plötzlich jemand vorschreiben will, was mit dem Wald zu geschehen hat. Im Kongo-Becken in Afrika fehlt es nach Bürgerkriegen und Machtvakuum an verlässlichen Partnern, die den Waldschutz auch garantieren können. In dem riesigen Inselreich Indonesien kümmert sich manche Provinzbehörde wenig um die Abholzverbote, die die Zentralregierung ausspricht, wenn eine Firma eine Lizenz zum Abholzen oder Plantagenbau will und der Schmiergeldpreis stimmt.
"Es ist eine Menge Aufklärung nötig, und es muss klar sein, dass mit dem Geld Verpflichtungen verbunden sind", sagt Harvey.
Von Christiane Oelrich, dpa
Quelle: ntv.de