Dossier

CDU-Unmut über Merkel Der SPD-Effekt

Angela Merkel durchlebt derzeit eine ungewohnte Situation als Bundeskanzlerin. Ausgerechnet zu Beginn des Superwahljahres 2009 entdeckt die CDU die Lust am Streiten, und ins Zentrum der Kritik rückt auf einmal die Parteichefin selbst. Eine Situation, die bislang zumeist den Sozialdemokraten vorbehalten war. Linksruck und mangelndes Wirtschaftsprofil lauten die Vorwürfe an die Bundeskanzlerin, die angesichts sinkender Umfragewerte für die Union und einer FDP im Höhenrausch eine für Merkel gefährliche Dynamik entwickeln. Die Partei und insbesondere der rechte Flügel fühlen sich vernachlässigt – die konservative Seele will gestreichelt werden.

Bei der Union tritt nun rechts der gleiche Effekt ein, den die SPD links bereits durchlebt hat: Die Große Koalition zwingt beide Parteien zu Kompromissen in der Mitte, die Ränder werden vernachlässigt. Davon profitieren die kleinen Parteien, die Linke hier und die FDP dort. Und wie die SPD zuvor treibt nun auch die CDU in eine öffentliche Debatte über die Gründe für das Umfragetief, die am Ende die Partei und auch ihre Vorsitzende beschädigen wird. Mangelndes Profil, Führungsschwäche und Vernachlässigung klassischer Parteipositionen –das kennen die Sozialdemokraten gut.

Rotes Tuch "Verstaatlichung"

Auch Merkels Kritiker fürchten um den Verlust von Stammwählern. Die Unzufriedenen um den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger werfen Merkel unterschwellig schon seit längerem eine schleichende "Sozialdemokratisierung" vor, die der neo-liberalen FDP in die Hände spiele. Die Wirtschaftskrise und die Reaktionen der Bundesregierung verschärfen diesen Standpunkt noch, die Konservativen reagieren etwa auf den Begriff der "Verstaatlichung" wie der Stier auf das rote Tuch.

CSU ohne Rücksicht

Ganz besonders laut schnaubt dabei der bayerische Stier. Die CSU zelebriert ihre Stärke seit Horst Seehofers Machtübernahme ohne Rücksicht auf Verluste. Getrieben von der Angst, bei der Europawahl unter 40 Prozent zu rutschen und damit den Einzug ins Europäische Parlament zu verpassen, hauen die Christsozialen in jede Kerbe die sich ihnen bietet, im verzweifelten Versuch, besser dazustehen als ihre große Schwester. Dass die Unionsfamilie dabei aber insgesamt beschädigt wird, sieht in Bayern ungern jemand ein. Und da Merkel bislang den offenen Konflikt oder ein Machtwort scheut, fühlen sich Seehofer und seine Truppen nicht genötigt, den Konfrontationskurs so schnell aufzugeben.

Ohne Antworten auf die Krise

Das führt zum häufigsten Kritikpunkt, den Angela Merkel seit ihrem Amtsantritt zu hören bekommt und der nun immer lauter wird: Führungsschwach und orientierungslos agiere die Kanzlerin – ganz besonders in der Krise vermissen die CDU-Kritiker klassisch-konservative Lösungsvorschläge. Sie selbst haben aber ebenfalls keine Antworten. Das versuchen sie hinter ihrer Kritik zu verstecken.

Doch Angela Merkel ist nicht Kurt Beck und die CDU im Gegensatz zur SPD keine Debatten-, sondern eine Kanzlerpartei. Sie wird im Zweifel hinter ihrer Vorsitzenden stehen. Deshalb muss sich Merkel nicht um ihre eigene Position sorgen machen. Um die ihrer Partei allerdings schon. Sollte die CDU-Chefin den Eindruck von Führungsschwäche und Vernachlässigung konservativer Positionen nicht bald wirksam widerlegen können, wird der Unmut der Unzufriedenen nicht verstummen. Das lässt die Partei weniger attraktiv erscheinen und treibt dann noch mehr Wähler in die Arme der FDP, sodass es am Wahltag nicht für Schwarz-Gelb reichen könnte. Und noch einmal vier Jahre Große Koalition, das könnte auch Merkel nicht überstehen.

Quelle: ntv.de

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