Dossier

Rüsten für die Ratspräsidentschaft "Europa ohne Barrieren"

Unmittelbar vor Beginn der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft gibt sich die Prager Regierung optimistisch. "Wir sind bestens vorbereitet", heißt es aus den Ministerien. "Tschechien ist gerüstet", sagt Regierungschef Mirek Topolanek mit Blick auf den 1. Januar, wenn er die Amtsgeschäfte als EU-Ratspräsident von Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy übernehmen wird. In den kommenden sechs Monaten wird die Moldaurepublik rund zwei Dutzend hochrangige EU-Treffen sowie bis zu 300 EU-Fachkonferenzen ausrichten, für das ehemals sozialistische Land mit zehn Millionen Einwohnern auch eine logistische Herausforderung.

Die politischen Aufgaben, vor denen Topolanek und sein Kabinett stehen, sind enorm. Zum einen hat sich aus der globalen Finanzmarktkrise eine schwere Wirtschaftskrise entwickelt. Europa sieht sich nach Jahrzehnten vor einer historischen Herausforderung, Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern. "Wir gehören zu denen, die dabei eine vorsichtig konservative Haltung einnehmen", sagt der tschechische EU-Minister Alexandr Vondra.

Außenbeziehungen neu justieren

Blanker Aktionismus sei seine Sache nicht, sagen Diplomaten. Und sie sehen die tschechische Position im Dreieck der drei großen EU- Länder - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - am nächsten zur Haltung der Regierung in Berlin. Noch hat Topolanek kein Konjunkturpaket aufgelegt. Mögliche zusätzliche Ausgaben sollen nicht ausufern.

Offiziell will Topolanek Prioritäten und Programm der Ratspräsidentschaft erst am 6. Januar vorstellen. Doch bereits jetzt ist sicher, dass Außenbeziehungen der Union neu justiert werden müssen. In den USA tritt mit Barack Obama am 20. Januar ein Präsident an, mit dem in Europa große Hoffnungen verbunden sind. Tschechien achtet besonders auf Obamas Haltung zum umstrittenen Vorhaben eines US-Raketenabwehrschilds in Mitteleuropa.

Außenminister Karel Schwarzenberg will daneben die neue "Östliche Partnerschaft" der Union vorantreiben, mit der Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, Ukraine und Weißrussland angesprochen werden. In Interviews hatte Schwarzenberg wiederholt die Ausrichtung eines ersten EU-Israel-Gipfels, möglicherweise unter Einbeziehung der Palästinenser, angedeutet - ein Vorhaben, das angesichts der aktuellen israelischen Offensive im Gaza-Streifen gefährdet scheint.

Sondermarken und Kulturprogramm

"Kontinuität in der Substanz, aber im Stil etwas verschieden", sagte Europaminister Vondra zur Übergabe der EU-Ratspräsidentschaft an Prag: "Wir sind keine Supermacht in der EU wie Frankreich, deshalb werden wir mehr vermitteln." Erleichterung herrscht in Tschechien darüber, dass es Frankreich gelang, das umstrittene EU-Klimapaket unter Dach und Fach zu bringen und mit Irland eine Übereinkunft für ein zweites Referendum über den Lissabon-Vertrag im Herbst 2009 zu finden.

Ein großes Fragezeichen bleibt dennoch: Der tschechische Präsident Vaclav Klaus. Als EU-Kritiker hält Klaus wenig von der Gemeinschaft und lehnt den Lissabon-Vertrag entschieden ab. Wieweit sich das selbstbewusste Staatsoberhaupt in die EU-Präsidentschaft einbringen wird, ließ er bisher offen. "Wir sind ein zivilisiertes Land. Wir haben zwei Airbusse", beugte Vondra kürzlich Befürchtungen vor, es könne zu Kompetenz-Possen wie in Polen um Präsident Lech Kaczynski und seinem Rivalen, Regierungschef Donald Tusk, kommen.

Ein bisschen soll sich die Ratspräsidentschaft auch für die heimische Wirtschaft lohnen. Mehr als 30.000 Gäste im Zusammenhang mit der Ratspräsidentschaft erwarte man allein in Prag, sagt Jana Prikrylova von der Stadtverwaltung. Für deren Sicherheit sollen rund 400 Polizisten und 200 Soldaten sorgen. Ein Kulturprogramm, von der EU finanziell unterstützt, wird den Besuchern die tschechische Geschichte und Gegenwart näher bringen. Die Post brachte bereits Sondermarken heraus. Unter dem Motto "Europa ohne Barrieren" möchte Tschechien der Union einen eigenen Stempel aufdrücken, am Neujahrstag wird das traditionelle Feuerwerk in der Hauptstadt der EU gewidmet. Die Kosten für die EU-Präsidentschaft beziffert die Regierung übrigens mit 3,3 Milliarden Kronen.

Quelle: ntv.de, Jakob Lemke, dpa

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