Dossier

Kandidatin für Schloss Bellevue? Gesine Schwan wird 65

Eigentlich könnte sich Gesine Schwan in den Ruhestand verabschieden, wenn demnächst ihre Amtszeit als Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) nach neun Jahren endet. Mit ihrem 65. Geburtstag an diesem Donnerstag ist der Verbleib auf ihrem jetzigen Posten nach Brandenburger Hochschulrecht aus Altersgründen ausgeschlossen. Doch nun ist die schlanke, große Frau mit den hochgesteckten blonden Haaren zum zweiten Mal für ein anderes hohes Amt im Gespräch: Es mehren sich die Stimmen derer, die sie gern als Erste Frau im Staate sähen, wenn die Amtszeit von Bundespräsident Horst Köhler im kommenden Jahr endet.

Die Politologie-Professorin Schwan lächelt vielsagend, wenn sie in diesen Tagen auf eine Kandidatur auf Vorschlag der SPD angesprochen wird. Weder bestätigt noch verneint sie diese Möglichkeit. "Das entscheidet der Parteivorstand", sagte sie erst am Dienstagabend in Frankfurt (Oder). Die SPD-Spitze wiederum verweist bislang auf Ende Juni. Die Partei werde sich erst äußern, wenn Amtsinhaber Köhler sich erklärt habe, hieß es. Bei der Bundespräsidentenwahl 2004 war Schwan Köhler mit 589 zu 604 Stimmen knapp unterlegen.

Westberlinerin aus Frankfurt (Oder)

Sie wolle sich als Präsidentin dafür einsetzen, "das Vertrauen zwischen den politischen Akteuren wiederherzustellen und den Grundkonsens zu erneuern", hatte Schwan damals erklärt. Um Vertrauen wirbt die Frau, die als Studentin Polnisch lernte und die seitdem regelmäßig im östlichen Nachbarland zu Gast ist, seit 2004 im Auftrag der Bundesregierung auch als Koordinatorin für die deutsch-polnische Zusammenarbeit. Und bei den Ostdeutschen, die sie ermuntert, sich bei Kritik am politischen System nicht gleich auch persönlich angegriffen zu fühlen. In ihrer Heimatstadt Berlin werde sie inzwischen auf der Straße häufig als "Frau aus Frankfurt (Oder)" angesprochen, berichtete Schwan einmal. "Das freut mich dann", sagte sie, betonte zugleich aber ihre Herkunft. "Ich bin Westberlinerin."

Dort wuchs Gesine Schwan in einem sozialdemokratischen Elternhaus als Tochter eines Oberschulrats auf. Über Bildungsreformen sei dort am Abendbrotstisch diskutiert worden, erinnert sie sich. "Mein Vater war Schulreformer." Sie sei zu Hause stets zu kritischem Denken angehalten worden. Nach ihrem Studium in Freiburg und Berlin war sie ab 1971 am Fachbereich Politische Wissenschaften der Freien Universität Berlin tätig und blieb dort bis zu ihrem Wechsel nach Frankfurt (Oder). Kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Amt besiegelte sie gegen manchen Widerstand die Umwandlung der Viadrina in Brandenburgs erste Stiftungsuniversität.

Schwan gehört seit 1972 der SPD an. Die Mutter zweier adoptierter Kinder ist seit 2004 in zweiter Ehe mit Peter Eigen, Gründer der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International verheiratet.

Von Annette Herold, dpa

Quelle: ntv.de

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