An der Front des Klimawandels Kanzlerin auf dem Eis
15.08.2007, 14:47 UhrAuf ihren Dienstreisen haben die Bundeskanzler des Landes die daheimgebliebenen Bürger schon des Öfteren überrascht. Gerhard Schröder fuhr nach Beendigung der politischen Gespräche einst symbolträchtig mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin per Pferdeschlitten durch den russischen Schnee. Helmut Kohl saunierte mit Putins Vorgänger Boris Jelzin am Baikalsee und nutzte später einen Australienbesuch zu einem Privatbad am Barrier Riff.
Doch diese Aktivitäten waren noch eher konventionell im Vergleich mit dem, was die Bundeskanzlerin von diesem Donnerstag an vorhat. Kein deutscher Regierungschef hat vor Angela Merkel dem international fast vergessenen Grönland und dessen 56.000 Einwohnern einen Kurzbesuch abgestattet. Der Kanzlerin geht es vor allem um die Beobachtung der Natur - und nicht um den politischen Gedankenaustausch, wozu Regierungsreisen sonst gewöhnlich dienen. Auf der größten Insel der Welt will sich Merkel zu Wasser, zu Lande und in der Luft einen persönlichen Eindruck darüber verschaffen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die dortigen Eismassen hat. Eine praktische Lehrstunde will sie sich erteilen lassen. Begleitet wird die Kanzlerin von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD).
Es ist ein Trip an die Front des Klimawandels. Die internationale Wissenschaft ist sich mittlerweile einig, dass in der Arktis und in Grönland der Klimawandel weltweit mit die deutlichsten Auswirkungen hat. Die Eismassen schmelzen. "Das Abschmelzen der Eiskappe und der Massenverlust über das Abbrechen von Eisbergen an den Gletscherzungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich verstärkt", sagte der Bremerhavener Klimaforscher Professor Peter Lemke. Der Anstieg des Meeresspiegels, den die Forscher weltweit feststellen, geht zu einem guten Teil auch zurück auf das "große Tauen" ("National Geographic") auf der zu Dänemark gehörenden Insel Grönland.
Volles Besuchsprogramm
Beginnen wird der Besuch am Donnerstagnachmittag noch relativ gewohnt. An der Gangway im 4.500 Seelen-Ort Ilulissat soll Merkel begrüßt werden - vom dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen und vom Chef der Grönländischen Selbstverwaltung, Hans Enoken. Kurz danach wird die Kanzlerin schon ein Schiff besteigen, um bei Ilulissat den gleichnamigen Eisfjord zu besichtigen. Am Ende des Fjords befindet sich ein Gletscher, von dem aufgrund der Erwärmung immer häufiger große Brocken ins Wasser stürzen. Deshalb stehen die Chancen gut, dass während der Schiffsfahrt der eine oder andere Eisberg an der Kanzlerin vorüberzieht.
Nach politischen Gesprächen mit Rasmussen steigt Merkel dann am Freitag in den Hubschrauber. Der bringt sie unter anderem zum Eqi-Geltscher nördlich von Ilulissat. Dort soll das Kalben der Gletscher, wie das Abbrechen der Eismassen bezeichnet wird, besonders gut zu beobachten sein. Und vielleicht kann Merkel aus der Höhe auch den einen oder anderen Artgenossen von Berlins Promi-Eisbär Knut in freier Wildbahn sichten.
Es ist einerseits echtes Interesse an den Naturphänomenen, das die Naturwissenschaftlerin Merkel zu der Reise bewogen hat. Andererseits will sie auch ein politisches Zeichen setzen und deutlich machen, dass sie sich weiter für den Klimaschutz einsetzt. Auf die Idee eines Grönland-Besuchs mit demselben Ziel waren zuvor auch schon Italiens Ministerpräsident Romano Prodi und EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso gekommen. Überhaupt soll der Klimatourismus boomen. Dabei übertreibt Merkel aber den Grad der Inszenierung nicht. Nur ein kleiner Tross wird sie begleiten. Die große Klima-Show will sie nicht veranstalten.
Quelle: ntv.de