"Rudern in einem Boot" Leise Töne von Clinton
21.02.2009, 15:21 UhrNie zuvor sind bei einem Besuch einer US-Außenministerin in Peking wohl so viele Freundlichkeiten ausgetauscht worden. In der "Halle des purpurnen Glanzes" im Pekinger Machtzentrum Zhongnanhai schienen sich Hillary Clinton und Wen Jiabao mit chinesischen Sprichwörtern gegenseitig zu übertreffen. Der Regierungschef war ganz angetan, dass Clinton schon vor ihrer einwöchigen Asienreise mit einem Zitat aus dem Klassiker des chinesischen Philosophen Sunzi über die "Kunst des Krieges" das Motto für die neue Kooperation mit China vorgegeben hatte: "Wer gemeinsam in einem Boot sitzt, sollte den Fluss friedlich überqueren."
Ihr Hinweis, dass China und die USA in der Wirtschaftskrise und beim Klimawandel das gleiche Schicksal teilen, ist einer Episode Sunzis entliehen, die in der Periode der "kriegführenden Staaten" spielte. Es wird erzählt, wie Soldaten der verfeindeten Staaten Wu und Yue sich in einem Boot wiederfinden und ihre Waffen niederlegen, um in einem Sturm sicher ans Ufer zu kommen. In seiner Antwort sah Wen Jiabao großzügig darüber hinweg, dass am Ende der Geschichte die Yue doch noch die Wu besiegt haben, und bemühte seinerseits ein anderes Zitat über "Fortschritte, die Hand in Hand gemacht werden".
Clinton und der neue US-Präsident Barack Obama suchen nichts weniger als eine "neue Ära" in den Beziehungen zu China. Ohne die Kooperation der reichsten Industrienation und des größten Entwicklungslandes der Erde ist weder die Finanzkrise zu bewältigen, noch die Bedrohung durch die Erderwärmung. Immerhin sind beide die größten Klimasünder der Welt. Hatte George W. Bush den Klimaschutz durch Nichtstun aufgehalten, geht es auch hier um einen Neuanfang, wie Clinton mit einem weiteren chinesischen Sprichwort deutlich machte: "Man muss den Brunnen graben, bevor man durstig wird."
Ihre leisen Töne demonstrierten, dass "Xilali", wie sie auf Chinesisch nur mit ihrem Vornamen Hillary genannt wird, als oberste Diplomatin der USA eine bemerkenswerte Wandlung durchgemacht hat. "Ich werde China die Stirn bieten" oder "Ich werde aggressiv gegen China vorgehen", hatte Clinton als Präsidentschaftskandidatin noch gewettert. Alles nur Wahlkampfrhetorik: "Das war eine andere Zeit damals und wir standen nicht vor einer derart schwierigen Situation wie heute", sagte Clinton in einem CBS-Interview. "Wir sind gegenseitig sehr abhängig voneinander." China brauche seine Exporte in die USA, während sich Washington darauf verlasse, dass China seine Währungsreserven weiter in US-Schatzanleihen investiere.
Wie schnell Idealismus durch Pragmatismus im Amt verdrängt wird, zeigten auch ihre Äußerungen, dass Menschenrechte, Tibet und Taiwan die Kooperation mit China in der Wirtschaftskrise, im Klimaschutz und bei Sicherheitsfragen "nicht beeinträchtigen" sollten. Kritiker stellen einen noch weitergehenden Wandel fest und erinnern an ihre Rede 1995 als Leiterin der US-Delegation bei der Weltfrauenkonferenz in Peking. "Freiheit bedeutet das Recht der Menschen, sich zu versammeln, zu organisieren, offen zu debattieren", mahnte die US- Präsidentengattin damals sehr zum Missfallen der Gastgeber. "Es bedeutet, Bürger nicht von ihren Lieben wegzuholen, einzusperren oder ihnen die Freiheit und die Würde zu verweigern, weil sie friedlich ihre Ideen und Ansichten geäußert haben."
Dieses Schicksal erfährt die Frau des prominenten inhaftierten Bürgerrechtlers Hu Jia aber heute - mehr als 14 Jahre später - noch genauso. Dass Menschenrechte für die USA jetzt nicht mehr Priorität haben sollen, enttäuscht Zeng Jingyan: "Fortschritte bei den Menschenrechten in China brauchen gemeinsame Bemühungen von innen und außen", sagte die 25-jährige Mutter einer 15 Monate alten Tochter, die unter Hausarrest steht, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Peking. "Menschenrechte sind immer das Wichtigste."
Quelle: ntv.de, Von Andreas Landwehr, dpa