Übergriffe in Feriencamp "Man muss das Risiko minimieren"
22.07.2010, 12:20 UhrBei einer Ferienfreizeit des Stadtsportbundes Osnabrück auf der Insel Ameland sollen mehrere Jungen andere Jugendliche sexuell misshandelt haben. Jährlich nehmen in Deutschland hunderttausende Kinder und Jugendliche an Ferienfreizeiten teil. Ohne ehrenamtliche Helfer wäre das nicht möglich. Doch wie werden die Betreuer qualifiziert und kontrolliert? Fragen an den stellvertretenden Direktor des Landessportbundes Berlin, Heiner Brandi.
Wie ist der Anteil von Pädagogen und ehrenamtlichen Helfern bei Ferienfreizeiten in Deutschland in der Regel?
Ich kann das nur für den Landessportbund Berlin beantworten. Wir machen ja auch Ferienfreizeiten mit Kindern und Jugendlichen. In diesem Jahr sind es 15 Camps, an denen insgesamt 534 Kinder und Jugendliche teilnehmen. Wir haben da immer einen Betreuerschlüssel von einem Betreuer auf acht Kinder.
Das sind vermutlich vorwiegend ehrenamtliche Betreuer.
Wenn wir die Camps in unseren eigenen Einrichtungen durchführen - wir haben zum Beispiel einen Jugendferienpark in Ahlbeck auf Usedom -, dann sind auch hauptberufliche Mitarbeiter vor Ort. Ansonsten gibt es bei uns immer einen Reiseleiter, der speziell qualifiziert ist. Aber auch die "normalen" Betreuer werden in allen relevanten Themen der Ferienfreizeiten aus- und kontinuierlich fortgebildet.
Die Betreuer auf Ameland sollen alle eine Jugendleitercard gehabt haben. Was muss man nachweisen, um so eine Karte zu bekommen?
Die Jugendleitercard gibt es bundesweit, die wird von den jeweiligen obersten Landesjugendbehörden ausgestellt. Um eine solche Karte zu erwerben, muss man eine Jugendleiter-Ausbildung machen. Die besteht aus mindestens 60 Unterrichtsstunden, bei denen es auch um Fragen der Aufsichtspflicht, um Haftungsrecht und ähnliches geht - die relevanten Themen, die in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen eine Rolle spielen. Dazu zählt auch das Thema Sexualität im Camp-Alltag. Wobei wir, Gottseidank, solche Vorfälle noch nicht hatten.

In diesem Bauernhof auf Ameland fand die Ferienfreizeit des Stadtsportbunds Osnabrück statt.
(Foto: dpa)
Sind Missbrauchsfälle wie die auf Ameland überhaupt zu vermeiden?
Man kann Vorkehrungen treffen, um das Risiko zu minimieren. Bei uns in den Camps ist es beispielsweise so, dass wir keine Massenunterkünfte haben, sondern kleinere Zimmer oder Zelte, wo ein Betreuer immer in der Nähe ist. Wir verlangen von unseren Betreuern zudem polizeiliche Führungszeugnisse, um auszuschließen, dass wir es mit Personen zu tun bekommen, die nicht geeignet sind.
Werden die Betreuer auch kontrolliert?
Ja, einerseits durch den jeweiligen Reiseleiter, andererseits durch unsere hauptberuflichen Mitarbeiter hier bei uns in der Geschäftsstelle der Sportjugend, die in die Feriencamps fahren um sich vor Ort zu überzeugen, dass alles klappt.
Wie ist es abends und nachts? Irgendwann wollen die Betreuer ja auch Feierabend machen.
Für unsere Betreuer gibt es durchaus freie Stunden, aber 80 Prozent von ihnen sind immer im Dienst. Die Aufgaben sind so verteilt, dass die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klar sind - auch in der Nacht.
Auf Ameland waren offenbar auch 16-Jährige dabei, obwohl die Freizeit nur für Jugendliche bis 14 hätte sein sollen. Muss man ältere Jugendliche von Jüngeren fern halten?
Wir haben keine so große Altersspanne. Wir fassen die 8- bis maximal 12-Jährigen zusammen und die 13- bis 16-Jährigen, so dass die Altersabstände nicht zu groß werden. Die Kinder und Jugendlichen verstehen sich dann einfach auch besser - mehr als drei Jahre Altersunterschied sind im Kindes- und Jugendalter schon sehr viel.
Können Eltern erkennen, ob sie ihre Kinder einem Veranstalter anvertrauen können?
Wir führen vor allen Ferienfreizeiten Elternabende durch. Zu denen werden die Eltern und die Kinder eingeladen, da erklären wir unsere Regeln, den Camp-Alltag und die Pflichten und Rechte, die die Kinder haben.
Wie ist ganz allgemein Ihr Eindruck von der Jugend von heute - sind die Jugendlichen heute schwieriger oder aggressiver als früher?

Heiner Brandi ist stellvertretender Direktor des Landessportbundes Berlin.
Die Klage, die Jugend sei noch nie so schlecht gewesen wie heute, gibt es schon seit Platon. Das begleitet das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen seit Generationen. Generell kann man sicher nicht sagen, dass Probleme mit Gewalt zugenommen haben. Solche Phänomene hat es schon immer gegeben, und es wird sie sicherlich auch weiterhin geben. Gerade deshalb muss man Vorkehrungen treffen.
Mit Heiner Brandi sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de