Dossier

Debatte neu entflammt Namensschilder für Polizisten

Das wackelige Video bestätigt viele Vorurteile: Ein Polizist packt einen Mann, der sein Fahrrad durch die friedliche Demonstrantenschar schiebt und schlägt ihm mit der Faust ins Gesicht.

Der Polizeiübergriff ereignete sich während der Datenschutz-Demo "Freiheit statt Angst" in Berlin.

Der Polizeiübergriff ereignete sich während der Datenschutz-Demo "Freiheit statt Angst" in Berlin.

Dann treten mehrere Beamte auf den hilflosen Radfahrer ein, auch ein anderer Teilnehmer der Berliner Datenschutz-Demo holt sich im Getümmel eine blutende Nase. Das Amateurvideo verbreitet sich rasant im Internet und sorgt für Proteste. Besonders aus Sicht der linken Szene ist es ein Beleg für unverhältnismäßige Gewalt der Polizei. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele fordert nun erneut eine bessere Kennzeichnung von Beamten - etwa durch Namen auf den Uniformen.

"Ganz klar nein", sagt Konrad Freiberg zu dieser Forderung. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) betont mit Blick auf den Vorfall vom Samstag: "Wenn ein Polizist eine Straftat begeht, muss er bestraft werden." Aber man dürfe durch diesen Fall nicht ein anders Problem aus dem Blick verlieren: "Die Gewalt gegen Polizisten hat dramatisch zugenommen, es gibt eine Respektlosigkeit, das ist ungeheuerlich." Auch deshalb lehne er Namen auf den Uniformen bei solchen Großeinsätzen ab. "Wenn die Namen bekannt sind, kann das dazu führen, dass die Familie des Beamten zu Hause terrorisiert wird." Im von Deutschland mitgetragenen Europäischen Kodex der Polizeiethik heißt es aber: "Die Polizei und ihre uniformierten Bediensteten müssen normalerweise leicht erkennbar sein."

Mangel an Transparenz

GdP-Chef Freiberg will der Familien der Polizeibeamten schützen.

GdP-Chef Freiberg will der Familien der Polizeibeamten schützen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Wenn es Fälle wie in Berlin gibt, stellt sich aber auch die Frage, ob der Einsatz der Polizei unverhältnismäßiger geworden ist. Bei Amnesty International sagt man, dass es dazu keine verlässlichen Zahlen gibt. "Aber auch wir fordern eine bessere Kennzeichnung von Polizisten, möglichst durch Namensschilder", sagt Sprecherin Barbara Hohl. "Und Fälle von Übergriffen sollten von unabhängigen Untersuchungskommissionen untersucht werden." Rechne man die Zahlen aus parlamentarischen Anfragen in den Ländern hoch, komme man auf rund 4000 Verfahren pro Jahr gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt - die meisten würden aber eingestellt. "Es mangelt bisher an Transparenz."

Freiberg hingegen mahnt seit Monaten vor einer kaum noch vorhandenen Hemmschwelle bei der Gewalt gegen die Polizei. Erst am Wochenende griffen 30 mit Holzlatten und Eisenstangen bewaffnete Menschen bei einer Anti-NPD-Demonstration in Hamburg einen Beamten an, der daraufhin einen Warnschuss abgab. "Glücklicherweise hat er nur einen Warnschuss abgegeben", sagte Einsatzleiter Peter Born. Es wäre nicht auszudenken gewesen, welche Folgen das sonst für die Lage in der Stadt gehabt hätte. Am 1. Mai flogen sogar Molotowcocktails in Berlin-Kreuzberg auf Polizisten. 440 Beamte wurden verletzt.

Übergriff hat Nachspiel

Berlins Polizeipräsident Glietsch verspricht "lückenlose" Aufklärung.

Berlins Polizeipräsident Glietsch verspricht "lückenlose" Aufklärung.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach fordert höhere Strafen für Übergriffe gegen Polizisten. Nötig sei eine Mindeststrafe von drei bis sechs Monaten. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums stiegen die sogenannten Widerstandstaten gegen Vollstreckungsbeamte in den vergangenen Jahren kontinuierlich bis auf 26.782 im Jahr 2007. Anfang Juni hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bei der Konferenz der Innenminister in Bremerhaven die zunehmende Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen sowie bei Extremisten "von links und von rechts" beklagt.

Die Polizei hat nach Demonstrationen wie am Wochenende in Hamburg und Berlin hunderte Stunden Videomaterial auszuwerten. In Berlin-Kreuzberg wird auf Plakaten der linken Szene gefordert, Demonstranten vom Filmen mit Handys abzuhalten, da diese dann im Internet kursierenden Videos den Behörden für Ermittlungen gegen einzelne Protestler dienen könnten. Doch nicht alle halten sich daran - denn solche Aufnahmen wie jetzt in Berlin können auch zu einem Druckmittel gegen die Polizei werden. Ohne das Internetportal Youtube hätte es nicht einen solchen Proteststurm gegeben. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch kündigte als Konsequenz auf das Video an, der Polizistenübergriff werde "lückenlos" aufgeklärt.

Quelle: ntv.de, Georg Ismar, dpa

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