Nach 30 Jahren auf Prüfstand Singapurs lächelnde Ikone
21.01.2007, 14:44 UhrSie lächelt immer, ist nie gestresst, wie aus dem Ei gepellt und stets zu Diensten - das ist "Singapore Girl", die Stewardess, die seit mehr als 30 Jahren weltweit für Singapurs Fluglinie Singapore Airlines wirbt. Die echten Stewardessen müssen dem Image mit viel Aufwand bis ins Detail nacheifern. Nach drei Jahrzehnten stellt die Airline ihre Werbestrategie erstmals auf den Prüfstand, und hat damit in Singapur eine lebhafte Debatte ausgelöst: Ist das Image von "Singapore Girl" noch zeitgemäß?
"Reichlich verstaubt" findet eine junge Rechtsanwältin das Image, mit dem eine der bekanntesten und erfolgreichsten singapurischen Firmen weltweit Reklame macht. "So sind Frauen nicht." Sexistisch findet Ruby Chen, Direktorin der Personalberatungsfirma DBMin Singapur, so manchen Werbespot. "Mit dem Image wird ja mehr als nur das Fluggeschäft vermarktet", sagt sie. "Das "Singapore Girl" scheint Männer ja geradezu einzuladen, ihr Avancen zu machen."
Die schöne Asiatin in dem hautengen malaiischen Kostüm mit langem, hochgeschlitzten Rock ist in den vergangenen 34 Jahren zu einem der bekanntesten Markenzeichen Singapurs geworden. Als erste kommerzielle Figur wurde das "Singapore Girl" 1994 sogar im Wachsfigurenkabinett von Madam Tussaud in London verewigt. Barbie-Hersteller Martell hat sie auch im Angebot.
Auf Werbepostern und in Werbespots ist sie immer der gute Geist, hilfreicher Engel und wohl der Traum der männlichen Passagiere. Sie rückt dem männlichen Erste-Klasse-Passagier elegant das Kissen zurecht oder reicht gütig lächelnd ein Brötchen. Vor ein paar Jahren war sie auch mal lasziv im Kornfeld und anderen Landschaften zu bewundern. "Dieses Mädchen ist in Dich verliebt", hieß es gar in der ersten Anzeige 1972 unter dem Bild einer Schönheit im Profil mit halb geöffnetem Mund.
Psychologin Wendy Chua (36) hat kein Problem mit dem "Singapore Girl"-Image. "Was ist daran auszusetzen, guten Service zu bieten und stolz darauf zu sein?", fragt sie. "Anderen zu Diensten zu sein, ist doch nicht entwürdigend." Sie sieht in der Werbe-Ikone eine unabhängige Frau, die um die Welt reist. "Es ist doch auch sehr befreiend zu sehen, dass Frauen so mächtig sind, dass sie eine so erfolgreiche Marke verkörpern können."
Auch die Stewardessen, sagt Kai Tan (31), fühlen sich durch die Reklame nicht erniedrigt. "Ich war stolz darauf, ein 'Singapore Girl' zu sein", sagt die ehemalige Flugbegleiterin. "Eleganz, Anmut, Zierlichkeit, Demut - das ist doch die Essenz der asiatischen Frau." Jeder behalte zudem seine Persönlichkeit. "Wir sind ja keine Klonversionen der Werbefigur", sagt Tan.
Die Fluggesellschaft wacht mit Argusaugen über das Image ihrer Aushängeschilder. Das Kostüm, vom französischen Designer Pierre Balmain kreiert, wird für jedes einzelne "Singapore Girl" maßgeschneidert. Die Voraussetzungen sind strikt: Sie muss Asiatin sein und einen Auswahlprozess durchlaufen, in dem vor allem auf Persönlichkeit geachtet wird. Rund 6500 Kabinenkräfte gibt es, 60 Prozent davon "Singapore Girls".
Sie haben - für einen Monatslohn von umgerechnet 1750 Euro - strikte Vorgaben, um der perfekten Werbe-Schönheit möglichst nahe zu kommen: die Farbtöne für Lidschatten, Lippenstift und Nagellack sind vorgeschrieben, die Haare müssen ab einer bestimmten Länge auf ganz bestimmte Weise hochgebunden werden. Strähnchen sind verboten. Sobald sie Uniform tragen, dürfen sie weder "wie ein Ackergaul" Treppen steigen, sagt ein Mitarbeiter, noch sich etwa mit Zigarette in der Öffentlichkeit sehen lassen.
34 Jahre lang war die Fluggesellschaft dem Werbefachmann Ian Batey treu, der das "Singapore Girl"-Image erfand, ehe sie den lukrativen Werbevertrag jetzt erstmals ausschrieb. Es gibt zwar keine Vorgaben für die Bewerber, doch glaubt in Singapur kaum jemand, dass die Airline die Werbeschönheit in den Ruhestand schicken könnte.
Von Christiane Oelrich, dpa
Quelle: ntv.de