Dossier

Vorgeschmack auf den Wahlkampf Was wird aus Müntefering?

Der Bundestagswahlkampf 2009 wirft Schatten voraus. Weil SPD-Chef Kurt Beck in Sachsen-Anhalt ein ehemaliges Stasi-Zuchthaus besucht, während seine Partei in Hessen ein Duldungsbündnis mit den neuen Linken schmiedet, wirft ihm die CSU "Verhöhnung" von DDR-Opfern vor. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel schlägt vor, die SPD möge doch ihre Parteizentrale in Berlin statt "Willy-Brandt-Haus" künftig "Walter-Ulbricht-Haus" nennen. Der DDR-Staatsratsvorsitzende hatte nach dem Krieg die Zwangsvereinigung von Kommunisten und Sozialdemokraten im Osten vorangetrieben.

"Das ist widerlich" empört sich Beck vor laufenden Kameras auf seiner Sommerreise quer durch die Republik. "Das sprengt den Rahmen dessen, was sich Demokraten einander zumuten dürfen." Dabei steht Beck sichtlich noch unter dem Eindruck des Besuchs in der Gedenkstätte "Roter Ochse" in Halle an der Saale - ein bedrückender Ort mit Todeszellen und Henkerkammer. Das alte Zuchthaus diente zunächst den Nazis als Folter- und Hinrichtungsstätte. In der DDR-Zeit wurde es dann von der Stasi als Gefängnis und für Verhöre genutzt - ebenfalls überwiegend für politische Häftlinge. 5000 Sozialdemokraten waren in der DDR zeitweise inhaftiert. Es gibt SPD-Mitglieder wie den Hallenser Fritz Drescher, die gleich zweimal im "Roten Ochsen" eingekerkert waren, zunächst von den Nazis, später von der Stasi.

Zeichen setzen

Natürlich will der SPD-Chef mit dem Besuch im "Roten Ochsen" während seiner viertägigen Tour durch fünf Bundesländer ein Zeichen setzen und auch auf die historischen Unterschiede zwischen SPD und ihrer neuen linken Konkurrenz aufmerksam machen. Eher mürrisch reagiert Beck auf Journalistenfragen zum weiteren Umgang der SPD-Bundesspitze mit den hessischen Genossen: "Alles, was dazu zu sagen ist, ist gesagt."

Nicht nur die Besichtigung der Gedenkstätte, auch die anderen Stationen der Beck-Reise, wie etwa der Besuch im Braunkohle-Kraftwerk Schwarze Pumpe in Brandenburg, sind mit politischem Hintersinn ausgesucht. Gelingt es in der modernen Pilotanlage, den CO2-Schadstoffausstoß gegen Null zu führen, ja anfallendes Kohlendioxid sogar zu speichern und es etwa für die Lebensmittelindustrie oder für Wäschereien zu nutzen, wäre das für die SPD ein weiteres wichtiges Argument für den Atomausstieg. Heimische Energieträger wie Braunkohle und Steinkohle könnten eine Zeitlang weiter den Energiebedarf mit abdecken. Der Bau neuer Kohlekraftwerke ist in der SPD nicht unumstritten.

Beck ungewohnt reserviert

Deutlich anders als bei seinen früheren Sommertouren gibt sich Beck gegenüber den mitfahrenden Journalisten reserviert. Die ansonsten gern gepflegten Gespräche im Bus kommen nur schwer in Gang. Die Berichterstattung der vergangenen Monate über die angebliche Führungsschwäche des SPD-Chefs und über seine Rolle beim Wortbruch der hessischen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti zum Umgang mit der Linken haben Spuren hinterlassen. In den Medien sieht Beck einen Grund für die schlechten Umfragewerte seiner Partei. Hinter vielen Journalistenfragen wittert er Fallen und geht deutlich auf Distanz.

Das gilt auch bei den Spekulationen über eine Rückkehr des früheren SPD-Vizekanzlers Franz Müntefering auf die Berliner Bühne. Beck gibt zu verstehen, dass er mit Müntefering häufig telefoniert - wohl auch, nachdem der Name des 68-Jährigen ehemaligen Partei- und Fraktionschefs in Medien sogar mit einem möglichen Wechsel an der SPD-Spitze in Verbindung gebracht wurde.

Es ist kein Geheimnis: Viele in der SPD sähen Müntefering gern in einer wichtigen Managerrolle der Wahlkampforganisation für 2009 - nachdem dieser angekündigt hat, nach dem Tod seiner Frau ab Herbst sein Abgeordneten-Mandat in Berlin wieder wahrzunehmen. "Münte" gilt in der Partei als "Vater" des für die SPD überaus erfolgreichen Wahlkampfes 1998. Auch 2002 und 2005 prägte er den SPD-Auftritt wesentlich mit.

Müntefering an der Parteispitze?

Aber ein Wechsel an der SPD-Parteispitze? Nicht nur in Becks Umgebung weist man dies als "völlig absurd" und "Unsinn" zurück. Wie sollte das schließlich auch gehen? Etwa mit einem Handstreich wie einst von Oskar Lafontaine, als der heute Linke-Chef 1995 seinen Vorgänger Rudolf Scharping aus dem Amt trieb? Müntefering, so sagen übereinstimmend Rechte wie Linke in der SPD, sei viel zu sehr "Parteisoldat", als dass ihm auch nur im Entferntesten ein Putsch in den Sinn käme.

Karl-Heinz Reith, dpa

Quelle: ntv.de

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