Brandanschlag kein Terror "mg" nur kriminell
28.11.2007, 15:15 UhrPolitisch motivierte Brandanschläge gelten künftig nur bei einer erheblichen Gefährdung des Staates als Terrorismus. Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) wird die linksextreme "militante gruppe" (mg) nicht mehr als terroristische Vereinigung eingestuft.
Zugleich setzte das Karlsruher Gericht die Haftbefehle gegen drei mutmaßliche mg-Mitglieder außer Vollzug. Obwohl die Gruppe Brandanschläge auf Gebäude und Fahrzeuge staatlicher Institutionen, Unternehmen oder anderer Einrichtungen begehe, könne sie nur als kriminelle Vereinigung gelten.
Das Gericht hatte über die Haftbeschwerden der drei Männer zu entscheiden, die Ende Juli nach einem versuchten Brandanschlag auf drei Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg festgenommen worden waren. Die zwischen 35 und 46 Jahre alten Männer waren seit Anfang August in Haft. Der BGH erteilte nun Auflagen, um eine Fluchtgefahr auszuschließen. (StB 43/07 - Beschluss vom 28. November 2007)
Ziele der "mg" nicht staatsgefährdend
Die Beschuldigten seien zwar der Tat und auch der Zugehörigkeit zu der Gruppe dringend verdächtig, so der BGH. Nach der gesetzlichen Neufassung im Jahr 2003 sei der Terrorismusparagraf aber nur noch anwendbar, wenn die Taten staatsgefährdende Ziele verfolgten und darüber hinaus einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen könnten. Nach Art und Häufigkeit seien die Taten der mg dazu nicht geeignet, entschied der 3. BGH-Strafsenat.
Allerdings behält die Bundesanwaltschaft weiter die Zuständigkeit für die Ermittlungen gegen die Linksextremisten. Wie aus der schriftlichen Begründung hervorgeht, wertet der BGH die mg-Aktivitäten als Staatsschutzdelikte "von besonderem Gewicht", womit das Eingreifen der Bundesanwaltschaft gerechtfertigt sei.
"Wie viele Autos müssen brennen?"
Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Gehb (CDU), wertete die Entscheidung als Folge des rot-grünen "Entkriminalisierungswahns". SPD und Grüne hatten 2003 den Terrorismusparagraf geändert. "Das war ein ganz großer Fehler", sagte Gehb der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und forderte die Wiederherstellung des alten Rechtszustands. Gehb fragte: "Wieviele Autos müssen eigentlich brennen, bevor man sich wegen Terrorismus strafbar macht?"
Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Der Beschluss des BGH macht den Rechtsstaat keineswegs zahnlos. Die Brandanschläge der linksextremen Szene können auch weiterhin hart bestraft werden." Es sei absolut richtig, dass der BGH eine rote Linie für die Strafverfolger gezogen habe.
Linke gegen "Terrorismuskeule"
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, forderte die Abschaffung des Terrorismusparagrafen, der sich "einmal mehr als reines Ermittlungs- und politisches Einschüchterungsinstrument entpuppt". Der BGH habe dem inflationären Gebrauch der "Terrorismuskeule" durch die Bundesanwaltschaft eine Schranke vorgesetzt.
Bei dem verhinderten Anschlag in Brandenburg konnten die an den Fahrzeugen angebrachten Zündvorrichtungen noch rechtzeitig entfernt werden. Die "militante gruppe" hat sich seit 2001 zu mehr als zwei Dutzend militanter Aktionen vor allem im Raum Berlin bekannt. Ein weiterer Haftbefehl gegen einen Berliner Soziologen, der aus Sicht der Bundesanwaltschaft die Bekennerschreiben verfasst haben soll, war vor schon vier Wochen vom BGH mangels dringenden Tatverdachts aufgehoben worden.
Quelle: ntv.de