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ÖPNV nach dem 9-Euro-Ticket Um billig zu sein, ist das Angebot einfach zu schlecht

Das Angebot ist nicht gut genug, um möglichst viele Menschen in Busse und Bahnen zu locken.

Das Angebot ist nicht gut genug, um möglichst viele Menschen in Busse und Bahnen zu locken.

(Foto: dpa)

Das 9-Euro-Ticket hat die Schwächen des Regional- und Nahverkehrs in Deutschland bloßgelegt und zum Thema gemacht. Allein dafür hat es sich gelohnt. Dauerhaft wäre es aber keine gute Idee.

In einer idealen Welt wären Busse und Bahnen kostenlos. Außerdem müssten sie in der Regel pünktlich sein, sie müssten häufig genug fahren und sollten nur selten überfüllt sein. In Deutschland ist der öffentliche Personennahverkehr davon weit entfernt. Am einfachsten wäre es noch, ihn kostenlos zu machen, denn Zuverlässigkeit, Taktung und Platz sind auch beim besten politischen Willen nicht sofort umsetzbar.

Das ist der Grund, warum ÖPNV-Tickets einen Preis brauchen: Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind kein unbegrenzt verfügbares Gut, ihre Nutzung muss gesteuert werden. Dabei geht es nicht darum, ärmere Menschen auszuschließen: Ihre Mobilität kann und muss mit anderen Mitteln statt eines Tickets für alle gesichert werden. Aber gerade jetzt kann es nicht das Ziel von Verkehrspolitik sein, so viele Menschen wie möglich in Busse und Bahnen zu locken. Dafür ist das Angebot einfach zu schlecht.

Das heißt im Umkehrschluss natürlich nicht, dass der Preis für ein Ticket im öffentlichen Nahverkehr die Kosten spiegeln muss. Das ist auch bisher nicht so. Bund, Länder und Kommunen zahlen jährlich Milliarden für den Nah- und Regionalverkehr, denn allein über den Fahrkartenverkauf wäre schon das aktuelle Angebot nicht finanzierbar.

29, 49, 69 oder doch 365 Euro?

Damit ist die Frage, wie teuer ein Busticket sein sollte, nicht allein wirtschaftlich zu beantworten - es ist auch eine politische Festlegung. Vorschläge, wie teuer ein 9-Euro-Ticket-Nachfolger sein sollte, gibt es viele: die Grünen fordern ein Regionalticket für 29 Euro und ein bundesweit gültiges Ticket für 49 Euro, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat sich für ein 365-Euro-Jahresticket ausgesprochen, das in ganz Deutschland im Regionalverkehr gelten soll, und der Verband der Verkehrsunternehmen fordert ein bundesweites 69-Euro-Ticket.

Derzeit kostet eine Monatskarte im Abo für Berlin 63,42 Euro - wenn sie auch im Speckgürtel rings um die Hauptstadt gelten soll, sind es 84 Euro. Die Kölner Verkehrsbetriebe rufen im Abo 89,40 pro Monat auf, für die Münchner IsarCard sind 59,10 Euro fällig. Der Vergleich zeigt: Eine bundesweit gültige Monatskarte für 69 Euro dürfte für viele ein attraktives Angebot sein, ohne so billig zu sein, dass Busse und Bahnen aus allen Nähten platzen.

Denn eines hat das 9-Euro-Ticket gezeigt: Der Regionalverkehr in Deutschland ist derzeit nicht in der Lage, so viele Menschen zu transportieren, wie für einen solchen Preis fahren würden. Dies verdeutlicht zu haben, ist der zentrale Erfolg dieses Großversuchs. Viel zu lange haben die bisherigen Verkehrsminister und die Bahn selbst darüber schwadroniert, wie großartig alles dereinst sein wird, und dabei versäumt, sich um Netz, Fahrzeuge und Personal zu kümmern.

Als Vision hat kostenloser ÖPNV seine Berechtigung. Aber über eine Umsetzung dieses Ziels kann erst gesprochen werden, wenn das Angebot zur Nachfrage passt.

Quelle: ntv.de

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