Zwischenruf Deutschland: Modell NRW
12.05.2010, 13:22 Uhr
Das Prinzip Aussitzen könnte Angela Merkel auf die Füße fallen.
(Foto: REUTERS)
Angela Merkel wird versuchen, die Wogen zu glätten. Ihre Kritiker sind gezwungen, ihr dabei zu helfen. Ansonsten müssen sie die vorfristige Abwahl von Schwarz-Gelb in Kauf nehmen.
Das Gemeine an der etablierten Politik ist, dass sich Kritiker immer erst dann zu Wort melden, wenn der/die Kritisierte in den Seilen hängt. CDU und CSU machen da im Falle der Angela Merkel keine Ausnahme. Denn die Führungsstärke der Bundeskanzlerin bestand auch schon vor dem Urnengang in Nordrhein-Westfalen und den Euro-Schutzschirmen in ihrer Schwäche oder ihrem Unwillen Konflikte zu lösen.
Das Prinzip Aussitzen hat sie von jenem Mann übernommen, zu dessen Fall sie entscheidend beigetragen hatte. Nur dass sich Helmut Kohl über die Jahrzehnte auf eine Hausmacht stützen konnte. Die hat seine Nachfolgerin nicht. So fielen dem Altkanzler die angehäuften Probleme erst nach mehr als 15 Jahren auf die Füße. Bei seiner politischen Ziehtochter geht das sehr viel schneller. Frau Merkel und ihre Koalition befinden sich nur wenige Monate nach Amtsantritt in einer existentiellen Krise.
Als sich Amtsvorgänger Gerhard Schröder 2005 in einer ähnlichen Lage sah, versuchte er mit den vorgezogenen Neuwahlen einen Befreiungsschlag, der sich als Fehlschlag erwies. Angela Merkel weiß das umso mehr, als der Fehlschlag heute sehr viel wahrscheinlicher ist als vor fünf Jahren. Die gegenwärtigen Krisenszenarien sind um ein Vielfaches bedrohlicher als damals. Die sozialen Probleme in Deutschland sind weit von einer Lösung entfernt, die Euro-Krise ist keineswegs beendet, der Afghanistan-Krieg keinesfalls gewonnen. Frau Merkels Pfeil auf der europäischen Beliebtheitsskala zeigt nach unten. Darum wird sie versuchen, die Wogen zu glätten. Und ihre Kritiker werden gezwungen sein, ihr dabei zu helfen. Die Alternative wäre die vorfristige Abwahl des Bündnisses aus CDU/CSU und FDP. Für die Regierungspolitik bedeutet dies, dass so weitergewurstelt-, gestritten und gekittet wird wie bisher. 2013 stehen nordrhein-westfälische Verhältnisse bevor. Soviel ist sicher.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de