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Manipulierte Asylverfahren Die Bamf-Affäre blamiert die GroKo

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Schwieriger Start: Kanzlerin Merkel mit Vize Scholz und Innenminister Seehofer.

(Foto: picture alliance / Wolfgang Kumm)

Die Vorfälle im Bamf sind verheerend. Die Bundesregierung ist auch mit dem Ziel angetreten, das Vertrauen vieler enttäuschter Wähler zurückzugewinnen - aber sie versagt ausgerechnet beim Thema Flüchtlinge.

171 Tage, so viel Zeit lag zwischen der Bundestagswahl im September 2017 und der Vereidigung der neuen Minister am 14. März diesen Jahres. Schon gut zwei Monate später ist der Fehlstart der Großen Koalition perfekt. Das liegt nicht an koalitionsinternen Streits über die Zugehörigkeit des Islam oder mehr Milliarden für den Verteidigungsetat. Der Auftakt ist vermasselt, weil die Bundesregierung sich ausgerechnet in der Einwanderungspolitik schwere Fehler vorwerfen lassen muss, die sie kaum entkräften kann.

In der vergangenen Woche räumte Jutta Cordt, Präsidentin des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration, massenhaft unrechtmäßig genehmigte Asylanträge ein. Eine entsprechende Überprüfung begann Ende Oktober 2017. Cordt kündigte an, 18.000 Altfälle der Bremer Außenstelle zu überprüfen. Am Wochenende stellte sich jedoch heraus, dass es offensichtlich schon viel früher Hinweise auf Verstöße gegen Verfahrensregeln gegeben hat. Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert aus internen Mails aus dem Februar 2017. Ein Abteilungsleiter warnt darin vor einem "schlechten Bild", dass auf die Behörde fallen könnte, sollten die dubiosen Fälle öffentlich werden. Die Mitarbeiter sollten "geräuschlos" vorgehen, lautete die Marschroute. "Ich möchte nicht, dass alles bis ins Detail geprüft wird." Längst geht es nicht mehr nur um die Vergabepraxis in der Bremer Außenstelle.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 war das Bundesamt überlastet und offenbar auch überfordert. Die Wochen und Monate, in denen täglich bis zu 10.000 Flüchtlinge über die Grenze kamen, waren belastend für die Mitarbeiter. Im Bamf stapelten sich die Anträge. Das Tempo ging jedoch auf Kosten der Gründlichkeit. Nach und nach kommt nun ans Licht, wie dabei, offenbar auch mutwillig, geschlampt worden ist. Seit Beginn der Flüchtlingskrise wurden bisher weniger als ein Prozent der Asylentscheidungen überprüft. Angesichts dessen kann einem inzwischen fast etwas bange werden, was eine umfangreiche Untersuchung noch alles zutage fördern wird.

"Eine gute Arbeit geleistet"

Die Bundesbehörde, deren Aufgabe darin besteht, verantwortungsvoll über Asylentscheide zu entscheiden, muss nun ihrerseits kontrolliert werden - wegen erheblicher Zweifel an ihrer Integrität. Blamabel ist das vor allem für die alte und neue Bundesregierung. Viele Wähler sind unzufrieden und beklagen - auch infolge der Flüchtlingskrise - ein Unsicherheitsgefühl, deshalb sind Union und SPD bei der Wahl erheblich abgestraft worden. Die Große Koalition ist im März mit dem Versprechen angetreten, Vertrauen zurückzugewinnen und Verlässlichkeit zu demonstrieren. Dass nicht wenige Menschen zu Unrecht positive Asylentscheide erhalten haben und Personen trotz Sicherheitsbedenken durchgewunken wurden, ist nicht nur eine Ohrfeige für die vielen Menschen im Land, die ihren Asylanspruch rechtmäßig erhalten haben. Es kostet Staat und Politik Glaubwürdigkeit, fördert Misstrauen und stärkt all jene, die noch immer von einem Kontrollverlust sprechen. Der Bamf-Skandal hätte deshalb nicht passieren dürfen.

Eine Steilvorlage sind die Ereignisse für die Opposition. Vor allem die AfD kann nun triumphieren. Dennoch ist ein Untersuchungsausschuss dringend nötig, um diese Affäre aufzuklären. Horst Seehofer erklärte in der vergangenen Woche, im Bamf werde "eine gute Arbeit geleistet". Der Innenminister verspricht schnellere Verfahren und mehr Abschiebungen. Die Vorfälle im Bundesamt liegen teilweise weit vor seiner Amtszeit, dennoch ist er jetzt als Krisenmanager gefragt. Seehofer muss sich jedoch ebenso unangenehme Fragen stellen lassen - etwa, warum er nicht früher von der Sache erfuhr - wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Kanzlerin Angela Merkel. Die machte die Flüchtlingspolitik im Herbst 2015 zur Chefsache und Kanzleramtschef Altmaier zum verantwortlichen Koordinator.

Quelle: ntv.de

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