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Zwischenruf Endlich Frieden in Kolumbien?

Prinzip Hoffnung: In Kürze wollen FARC-Guerilla und Regierung in Oslo offiziell Friedensverhandlungen aufnehmen. Dass sie zum Erfolg führen, ist nicht sicher. In der Vergangenheit waren ähnliche Versuche gescheitert. Die Hoffnung ist gleichwohl groß und nur allzu berechtigt.

Kolumbiens FARC-Guerilla ist schwer bewaffnet.

Kolumbiens FARC-Guerilla ist schwer bewaffnet.

(Foto: dpa)

Die Nachricht lässt aufhorchen: Kolumbiens Regierung und die kommunistische FARC-Guerilla verhandeln miteinander. Damit hat Präsident Juan Manuel Santos seinen harten Kurs gegen die älteste Partisanenbewegung Lateinamerikas aufgegeben. Vorangegangen waren heftige Angriffe der Regierungsstreitkräfte auf Stellungen und Camps der FARC, wobei die Angreifer sogar auf fremdes Hoheitsgebiet vordrangen und in Ecuador mit Raúl Reyes den Vizechef der Guerilla töteten. Entscheidend geschwächt wurden die FARC, die sich offiziell Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens - Volksarmee (FARC-EP) nennen, gleichwohl nicht.

Den seit einiger Zeit vermutlich in Kuba laufenden und nunmehr amtlich bestätigten Gesprächen liegt die Erkenntnis beider Seiten zugrunde, dass der Konflikt nicht militärisch gelöst werden kann. Die Wurzeln der FARC reichen immerhin bis in die "violencia" (Gewalt) genannte Zeit des Bürgerkriegs zwischen der Liberalen und der Konservativen Partei 1948 zurück, als die KP und andere Linke Bauernmilizen bildeten, um sich gegen die Übergriffe der Großgrundbesitzer zur Wehr zu setzen: Vernichtet wurden sie trotz massiver Unterstützung durch die Vereinigten Staaten nie.

Kolumbien erhält nach Israel und Ägypten die drittgrößte US-Militärhilfe. Begründet wurde die Hilfe mit der Notwendigkeit, den Drogenanbau zu bekämpfen. Tatsächlich hatten die FARC zunächst in den von ihnen kontrollierten Gebieten Steuern von den Kokabauern erhoben. Später gingen sie selbst zum Anbau über und finanzierten sich mit dem Verkaufserlös. Gleichwohl zielte der Vorwurf, eine "narco guerilla" (eine Drogenguerilla) zu sein darauf, von den politischen Zielen abzulenken. Mit dem Einstieg in den Drogenhandel trugen die FARC jedoch selbst dazu bei, ihren eigenen politischen Anspruch zu konterkarieren. Das gilt auch für die zahllosen Entführungen von Soldaten, Polizisten und Zivilisten.

Am Zustandekommen der nunmehrigen Kontakte war Washington nicht beteiligt. Als Vermittler wurden Kuba und Venezuela sowie Norwegen tätig. In Oslo sollen am 5. Oktober die Friedensverhandlungen auch offiziell beginnen. Die sozialistischen Regierungen in Havanna und Caracas hatten den ihnen ideologisch verbundenen FARC zuvor signalisiert, dass sie den bewaffneten Kampf für aussichtslos halten. Unklar ist, ob mit der ELN (Nationale Befreiungsarmee) auch die zweitgrößte bewaffnete Gruppierung an den Verhandlungen beteiligt wird. Die ELN wurde von Sympathisanten der kubanischen Revolution und linksgerichteten Katholiken gegründet.

Sowohl mit der ELN als mit den FARC hatte es in den zurückliegenden Jahren Friedensverhandlungen gegeben. Gescheitert waren sie einerseits an Versuchen der FARC, während der Gespräche durch militärische Aktionen ihre Schlagkraft unter Beweis zu stellen. Zugleich drängten ultrakonservative Regierungskreise und Militärs auf ein Ende. Diese Kräfte unterhielten enge Verbindungen zu den rechtsgerichteten Großgrundbesitzermilizen den AUC, den Vereinigten Bürgerwehren Kolumbiens, die FARC und ELN oft gemeinsam mit Armee und Polizei bekämpften. Auch die AUC ist im Drogengeschäft aktiv. Offiziell aufgelöst, wirkt der Einfluss der AUC über zivile und militärische Strukturen weiter. Störmanöver gegen den Friedensprozess sind nicht nur deshalb wahrscheinlich. Eine Bodenreform, wie sie zu den Forderungen der Guerilla gehört, würde die Macht der "latifundistas" schwächen.

Bislang ist ein Ende der mehr als sechs Jahrzehnte andauernden bewaffneten Konflikte in Kolumbien nur eine Hoffnung. Den Kolumbianern wäre zu gönnen, dass sie wahr wird. Seit 1948 hat die Gewalt eine halbe Million Menschen das Leben gekostet.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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