
Priorität Schule? Die meisten Deutschen sehen das anders.
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Eigentlich sollte der Bildungsbereich Vorrang haben, doch stattdessen öffnen die Bundesländer Gartencenter und Nagelstudios. So falsch diese Priorisierung ist, sie passt zu einer Stimmung, in der Shopping wichtiger ist als Schulen.
Friseure haben wieder auf, auch Gartencenter, Blumenläden, Baumärkte, Fußpflege- und Nagelstudios, Fahrschulen, Buchläden, Fahrradgeschäfte, Zoos. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnt vor einem "Öffnungsrausch", doch die meisten Länder sind längst mittendrin, wenn auch, natürlich, alle anders; es gilt schließlich, die regionalen Besonderheiten zu beachten.
Nur auf eines scheinen die Länder nicht so geachtet zu haben: auf ihre Zusage vom 10. Februar. "Um Bildung und Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten, haben Öffnungen im Betreuungs- und Bildungsbereich daher Priorität", heißt es im Beschluss der letzten Bund-Länder-Konferenz. Und damit auch jeder versteht, dass die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten es ernst meinen, haben sie die Passage mit den Öffnungen gefettet.
Geöffnet wurden danach in den meisten Bundesländern die Kitas, Grund- und Förderschulen, und auch die Abschlussjahrgänge wurden zumeist wieder in ihre Schulen geschickt, wenn sie nicht ohnehin schon dort waren. Eine Schutzstrategie für die Beschäftigten wurde zwar in Auftrag gegeben, unterrichtet wurde allerdings bereits, bevor die Umsetzung - Impfen, Testen - begann. Ganz vergessen wurden die anderen Schulen indes nicht: Unabhängig von der nächsten Bund-Länder-Runde an diesem Mittwoch planen das Saarland und Rheinland-Pfalz weitere Öffnungen, in Baden-Württemberg will Kultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann die Schulen schon in einer Woche wieder aufsperren. Beschlossen werden dürfte das allerdings frühestens nach dem Treffen am Mittwoch. Wenn die Schulen am 8. März im Südwesten wirklich wieder aufmachen, wird die Vorbereitungszeit knapp.
Im Lockdown wiederholt sich, was Schulpolitik in Deutschland generell ausmacht: Beständig wird die Bedeutung der Bildung betont, aber von der Digitalisierung bis zur Sauberkeit der Toiletten passiert seit Jahren zu wenig. Dass Landesregierungen damit durchkommen, gehörte lange zu den großen Mysterien unserer Zeit. Bis heute, denn das Rätsel ist gelöst: Eine Yougov-Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass uneingeschränktes Einkaufen den Deutschen wichtiger ist als die Öffnung der Schulen: Einkaufen steht in der entsprechenden Befragung auf Platz eins, die Schulen folgen auf Rang vier, nach Kontaktbeschränkungen und Restaurants.
Wenn nur 32 Prozent der Befragten die Öffnung von Schulen besonders wichtig ist, dann ist Kritik an den Bundesländern und ihren Schulministern unfair - schließlich spiegeln ihre Versäumnisse nur die Prioritäten der Menschen im Land. Verhandlungen über Impf- und Testkonzepte für die Schulen kann sich die nächste Bund-Länder-Konferenz an diesem Mittwoch also sparen. Hauptsache, wir können endlich wieder richtig shoppen gehen.
Quelle: ntv.de