Zwischenruf Hilfe, die Russen kommen?
17.08.2009, 18:53 Uhr
Die Wadan-Werften in Wismar und Warnemünde sind das größte Unternehmen der traditionsreichen Schiffbaubranche in Mecklenburg-Vorpommern.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Es ist noch gar nicht solange her, da gingen Aufschreie durch die Republik, wenn’s hieß, Unternehmen aus der einstigen Sowjetunion, namentlich aus Russland, würden sich in Deutschland breitmachen. Ich meine nicht so etwas wie den "Onkel Wanja"-Laden bei uns um die Ecke, der Kascha in der Dose, "Moskovskaya"-Wodka und Moskauer Senf verkauft, sondern Unternehmen, die strategisches Gewicht haben.
Gerhard Schröder ist mittlerweile zu Moskaus Rohstofflobbyist avanciert. Die Kanzlerin mauschelt mit Präsident Dimitri Medwedew und spricht von längerfristigem Interesse, das der russische Oligarch Igor Jussufow an den beiden Wadan-Werften in Wismar und Warnemünde habe. Das könnte stimmen. Rund 700, der auf den beiden DDR-Werften an der Ostsee gebauten Schiffe, bedürfen dringender Modernisierung, wenn sie nicht sogar ersetzt werden müssen.
Strippenzieher Jussufow
Zuerst aber müssen fertig gebaute Fährschiffe für Schweden an den Mann gebracht werden, die weit mehr als 200 Millionen Euro gekostet haben: Die in Göteborg ansässige Stena weigert sich die Kähne abzunehmen. Neue Abnehmer sind nicht in Sicht. 40,5 Millionen Euro will Jussufow investieren. Jussufow sitzt auch im Aufsichtsgremium von Gazprom, dem größten und bedeutendsten russischen Staatsunternehmen. Söhnchen Vitali, der an dem Deal beteiligt ist, leitet das Moskauer Büro des Ostsee-Pipeline-Konsortiums "Northstream", in dem Gazprom federführend mitmischt, wo nun wiederum – siehe oben - der Vorgänger von Angela Merkel engagiert ist. Gazprom seinerseits steht hinter der mehrheitlich in Staatshand befindlichen Sberbank, die zusammen mit dem austro-kanadischen Autozulieferer Magna am Erwerb von Opel interessiert ist. Und dabei das Wohlwollen der Bundesregierung genießen soll. Die Sberbank ist über Milliardenkredite mit Gazprom verbandelt.
Erstaunlich, wie man als ehemaliges Kabinetts- und aktuelles Vorstandsmitglied so en passant zweistellige Millionenbeträge lockermacht, um im Ausland zu investieren. Entweder sind die Jussufows gerissene Mafiosi, wie so viele andere Neureiche in Russland auch, oder hinter ihnen stehen mächtigere Auftraggeber. Russische Medien berichten, das Geschäft sei im Interesse eines strategischen Investors getätigt worden. Der wolle dem deutschen Staat für den Kauf später eine Milliarde Euro bezahlen.
Zukunft ungewiss
Die Wadan-Werften haben schlechte Erfahrungen mit russischen Investoren gemacht. Ex-Eigentümer Andrej Burlakow wird von seinem ehemaligen Arbeitgeber, der staatlichen Leasinggesellschaft FLC, vorgeworfen, er habe Firmengelder für den Kauf der Werft veruntreut. Burlakow ist Geschichte, Jussufow und wer weiß wer noch sind Zukunft.
Bleibt zu hoffen, dass der Super-Deal, der möglicherweise hinter Wadan/Opel steht, den Beschäftigten hilft, die seit Monaten um die Zukunft ihrer Familien bangen. Bislang sieht es nicht so aus. Bei Wadan sollen von 2.500 Mitarbeitern nur 1.600 bleiben, bei Opel kursiert jeden Tag eine neue Zahl von Entlassungskandidaten. Eine Beschäftigungsgarantie wäre das Mindeste gewesen, was die Bundeskanzlerin und/oder Schwerins SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering hätten fordern können, als sie den Geschäften zustimmten.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de