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Zwischenruf 337 Knut und der Siemens-Skandal

Von Manfred Bleskin

Siemens ist nicht irgendein Unternehmen. Der Konzern gehört mit knapp einer halben Million Mitarbeitern in mehr als 190 Ländern zu den weltgrößten Elektronikkonzernen. Folglich ist Heinrich von Pierer auch nicht irgendein Manager, sondern einer der mächtigsten Wirtschaftsfunktionäre dieses Landes, auch wenn er sich vor zwei Jahren aus dem operativen Geschäft zurückzogen hatte und an die Spitze des Aufsichtsrats wechselte. Folglich ist sein Rücktritt auch nicht irgendein Amtswechsel, sondern ein Erdbeben.

Es ist unerheblich, ob der Mann, der seit 1992 an der Spitze des Konzerns stand, dazu gedrängt wurde oder ob ihm der Skandal über den Kopf wuchs. Es ist zunächst auch nicht wichtig, ob sein Verhalten justitiabel ist.

Ins Gewicht fällt einzig und allein die Tatsache, dass in seinem Unternehmen Zustände herrschten, gegen die der Ablasshandel wie ein Hütchenspiel wirkt. Wenn von Pierer nichts davon wusste, dann hat er schlampert gearbeitet. Wenn er davon wusste, dann zeugt dies zumindest von einer unglaublichen Chuzpe.

Immerhin war Heinrich von Pierer der erste Unternehmenschef, der – zu Zeiten der Regierung Schröder/Fischer 2004 – vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sprach. Und er war ein Jahr später als Kandidat der Union für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch. Nun mag man einwenden, auch Helmut Kohl hatte als Bundeskanzler seine Spendenaffäre am Hals und der spätere Bundesinnenminister Manfred Kanther aus den Zeiten als hessischer CDU-Generalsekretär die seine, aber, mein Gott, wo leben wir denn?

Es ist nicht das erste Mal, dass der Name Siemens im Zusammenhang mit Bestechung fällt. Zwischen 1996 und 2001 war das Unternehmen wegen Korruptionsvorwürfen in Singapur von allen öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. Nun sollen Topmanager Schwarzgelder in 200-Millionen-Höhe ins Ausland transferiert haben. Hinzu kommt der dringende Verdacht, dass Siemens seine eigene Gewerkschaft gebastelt und finanziert hat, um den Einfluss der IG Metall zurückzudrängen.

Die Ausmaße des Skandals zeigen, wie weit sich Konzerne in Zeiten des Turbokapitalismus aus dem Fenster lehnen können. Es zeigt sich aber auch, dass man dabei auf die Nase fallen kann. Um künftig Ähnliches zu verhindern, ist der Staat angehalten, den Konzernen genauer auf die Finger zu schauen. Dazu gehört – unbeschadet der unternehmerischen Fähigkeiten von Heinrich von Pierer – dass dieser von seinem Posten als Chef des Innovationsrates der Bundesregierung entbunden wird. Von Pierer zieht sich von der Siemens-Spitze zurück, weil er weiteren Schaden von dem Konzern abwenden will. Die Bundeskanzlerin hat geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.

Schlimm genug, wenn Bundeswirtschaftsminister Michael Glos meint, die eine Sache habe nichts mit der anderen zu tun. Schlimmer aber noch, wenn Angela Merkel die erste öffentliche Stellungnahme nach der Piererschen Rücktrittsankündigung zu wenig mehr nutzt, als ihre Zuneigung zum Eisbärchen Knut einzugestehen. Wenn von Pierer Berater der Bundesregierung bleibt, kommt Schaden über das deutsche Volk und die Kanzlerin bricht ihren Eid.

Quelle: ntv.de

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