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Der Kommentar Opfer des Lobes

Selten hat ein Lob so viel Ungemach bereitet wie das Lob der amerikanischen Generale Tommy Franks und James Marks für die beiden BND-Agenten, die Frühjahr des Jahres 2003 nach Bagdad entsandt worden waren. Nicht die Gelobten mit den Decknamen Reiner Mahner und Volker Heinster leiden unter der Wertschätzung für ihre Arbeit, welche die Militärs dem "Spiegel" zu Protokoll gaben. Opfer des Lobs sind ihre damaligen Vorgesetzten, vor allem Bundesaußenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank Walter Steinmeier. Ohne die Aussagen dieser Offiziere, die während des Krieges immerhin Schlüsselpositionen innehatten, hätten Koalition und Oppositionsparteien vermutlich bis zum Ende der Legislaturperiode weiterhin ohne großes Aufsehen die Arbeit im Untersuchungsausschuss fortsetzen können, um dann unterschiedliche Wertungen des Untersuchungsergebnisses zu präsentieren. Es ist eher der Normalfall, dass die Darstellung der verschiedenen Seiten den Eindruck vermittelt, die Berichterstatter hätten in verschiedenen Gremien gesessen.

Offenbar haben die Agenten in Bagdad gute Arbeit geleistet. Aber darum geht es nicht. Es geht auch nur noch zum Teil darum, welche Arbeitsergebnisse über die BND-Zentrale in Pullach an die amerikanischen Kommandeure weitergeleitet wurden und was davon für die Kriegsführung hilfreich war. Worum es geht, hat CDU-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen mit aller wünschenswerten Klarheit zum Ausdruck gebracht. Als Vorsitzender der Kontrollkommission für die Geheimdienste war er sich 2006 noch sicher, dass es keine deutsche Beteiligung an den Kriegshandlungen gegeben habe. Jetzt sagt er, es gehe um Steinmeiers Glaubwürdigkeit. Die Einschätzung hat sich verändert durch die Aussagen amerikanischer Generale. Die politische Lage hat sich verändert durch den herannahenden Wahlkampf. Der Kanzleramtsminister a.D. und Koordinator für die Geheimdienste würde nur wenig interessieren. Der Kanzlerkandidat verdient höchste Aufmerksamkeit.

Schluss mit Samthandschuhen

Zu Recht. Die Antwort auf die Frage, ob sich die BND-Zentrale an die merkwürdigerweise nur mündlich erteilte Weisung gehalten hat, wonach "eine aktive Unterstützung von Kampfhandlungen" ausgeschlossen war, ist auch die Antwort auf die Frage, ob der Geheimdienstkoordinator den Dienst auseichend kontrolliert hat. Nach seiner Aussage ist die "rote Linie" nicht überschritten worden. Nach Aussage der amerikanischen Generale muss sie wohl überschritten worden sein. Auch nach dieser Befragung vor dem Untersuchungsausschuss bleiben gewaltige Zweifel, ob der Kanzlerkandidat die Rolle des BND vor der Öffentlichkeit und dem Parlament wahrheitsgemäß dargestellt hat oder sein Wissen über diese Rolle die ganze Wahrheit enthielt. Mit Schonung durch die Union, die den Außenminister mit Samthandschuhen anfasste, wird der Kanzlerkandidat nur noch begrenzt rechnen können.

Durch die Befragung von Steinmeier ist der Untersuchungsausschuss der Aufklärung nicht viel näher gekommen, mit der des frühren Außenminister Joschka Fischer schon gar nicht. Näheren Aufschluss könnten die Dokumente geben, die dem Ausschuss nur geschwärzt zur Verfügung gestellt wurden. Die Liste der denkbaren Auskunftspersonen ist im "Spiegel" nachzulesen. Aber amerikanische Generale werden kaum vor dem Untersuchungsausschuss ihre Glaubwürdigkeit überprüfen lassen, die ihnen bei der SPD mit Vokabeln abgestritten wird, die an Verbalinjurien grenzen. Dass General a.D. Tommy Franks und General a.D. James Marks ausgerechnet die Vorgesetzten der Männer in Schwierigkeiten bringen, die ihnen nach ihrer eigenen Aussage so wichtige Hilfe geleistet haben, ist schon merkwürdig. Aber um deutsche Innenpolitik brauchen sich amerikanische Militärs nicht zu kümmern. Vermutlich wissen sie auch kaum etwas davon.

Ihm macht keiner etwas vor: Volker Jacobs berichtet seit 40 Jahren zunächst über die Bonner, nun die Berliner Republik. Für n-tv.de kommentiert er die Kämpfe um Macht und Einfluss.

Quelle: ntv.de

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