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Sackgasse Migrationspolitik Scholz hat sich verrannt - und Merz gefällt das

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In den Umfragen geht es seit Monaten abwärts für Scholz und die SPD.

In den Umfragen geht es seit Monaten abwärts für Scholz und die SPD.

(Foto: picture alliance/dpa)

Olaf Scholz hat unter dem Druck schlechter Umfragewerte versprochen, die Flüchtlingszahlen zu senken - und sucht dafür den Schulterschluss mit der Union. Er liefert sich damit CDU-Chef Friedrich Merz aus, denn der kann in dieser Situation nur gewinnen. Was hat sich der Kanzler bloß dabei gedacht?

Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Politiker unterschiedlicher Lager richtig gut miteinander können, obwohl sie sich in Bundestag und TV-Shows regelmäßig beharken. Olaf Scholz und Friedrich Merz dagegen sind einander tatsächlich in persönlicher Abneigung verbunden. Keiner der beiden hält viel vom jeweils anderen. Auch deshalb ist von dem Treffen des Bundeskanzlers mit dem Oppositionsführer an diesem Freitag nicht viel zu erwarten. Ein Problem aber ist das nur für den Regierungschef. Scholz hat sich in der Migrationspolitik von der Opposition in eine Sackgasse manövrieren lassen, aus der es für ihn kein Entrinnen gibt. Egal, was er der Union an Maßnahmen anbieten wird, um die Zahl der Asylsuchenden und Ausreisepflichtigen in Deutschland zu senken: CDU-Chef Merz wird es für nicht ausreichend erachten und so die Ampel weiter mühelos vor sich hertreiben.

Mit seiner Idee eines Deutschlandpakts hatte Scholz die größte Oppositionsfraktion aus CDU und CSU einbinden wollen, um endlich wieder Schwung ins Regierungshandeln zu bekommen. Die Flüchtlingszahlen zu senken, war dabei nur eines von mehreren Themen, die der Ampel-Chef gemeinsam mit den in vielen Ländern mitregierenden Konservativen angehen wollte. Im Zentrum seiner Bundestagsrede vom 6. September stand eigentlich der Bürokratieabbau zum Wohl von Bürgern und Wirtschaft. Doch die Union entnahm dem Vorschlag vor allem das Angebot, bei der Asylpolitik einen Kurswechsel einzuleiten. Scholz, der sich selbst für einen großen Strategen hält, taumelte in die selbst gestellte Falle. Seither - und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Landtagswahlen in Bayern und Hessen - verstieg er sich in immer weitere Versprechungen, die Asylzahlen zu senken - obwohl er damit nur scheitern kann.

Viele kleine Stellschrauben, kein großer Effekt

Die womöglich erst in Jahren greifende EU-Asylreform, mehr Grenzkontrollen und ein entschiedeneres Vorgehen gegen Schleuserkriminalität, schnellere Asylverfahren, Erleichterungen bei der Umsetzung von Abschiebungen sowie weniger Geldleistungen für Menschen im Asylverfahren - das sind allesamt Schritte in die richtige Richtung. Eine Mehrheit der Menschen erwartet, dass die Bundesrepublik die Kontrolle darüber ausübt, wer nach Deutschland kommt und hier bleiben darf. Und sie erwartet, dass die Hilfsbreitschaft hierzulande so ausgestaltet wird, dass der Rest Europas sich nicht auf Kosten Deutschlands einen schlanken Fuß macht. Die Formulierung von CSU-Chef Markus Söder, es brauche eine Integrationsgrenze, hat einen Nerv getroffen: Die Mehrheit der Bevölkerung sieht offenbar das Limit dessen erreicht, wie viele Menschen jährlich neu aufgenommen und integriert werden können.

Scholz wird aber dieses Bedürfnis nach einer schnellen und vor allem substanziellen Senkung der Zugangszahlen, das er unter dem Eindruck miserabler Umfragewerte für seine SPD befeuert hat, unmöglich befriedigen können: Der Druck auf Europas Außengrenzen wird angesichts der vielen globalen Krisen und Armut hoch bleiben, während die Mittelmeerstaaten die Verfolgten, Gefährdeten und Verzweifelten aus Afrika und Asien weiter nach Deutschland durchwinken werden. Der von der Bundesregierung verfolgte Ansatz, Herkunftsländer abgelehnter Asylantragsteller zur Rücknahme ihrer Bürger zu verpflichten, ist so richtig wie langwierig. Summa summarum mag eine Senkung der Zugangszahlen sowie der Ausreisepflichtigen im vierstelligen bis niedrigen fünfstelligen Bereich möglich sein - sofern nicht weitere Krisen und mit ihnen zusätzliche Flüchtlinge hinzukommen.

Die Stimmung ist schon gekippt

Die Union hat hier leichtes Spiel: Sinken die Zahlen, wird sie für sich beanspruchen, den Kanzler zum Jagen getragen zu haben. Klappt es nicht, waren halt der Kanzler oder die in der Migrationspolitik uneinige Ampel nicht so konsequent wie von CDU und CSU gefordert. Der Kanzler wird sich indes fragen müssen, wie er in dieser Sackgasse hat landen können. Der entscheidende Fehler ist ihm schon vor Monaten unterlaufen: Im Frühjahr lehnte er Forderungen von Ländern und Kommunen nach mehr finanzieller Unterstützung zur Flüchtlingsversorgung ab. Seither hat sich auf allen Ebenen ein schwierig aufzulösender Frust angestaut.

Kommen die geforderten Milliarden bei der Bund-Länder-Konferenz am Montag nun doch noch, wird das an der in der Breite gekippten Stimmung beim Thema Asyl nichts mehr ändern. Scholz hatte weder die Kraft noch die politische Überzeugung, dem Bundesfinanzminister und Chef der Koalitionspartei FDP, Christian Lindner, das Geld abzuringen. Stattdessen hat er sich von der Kooperationsbereitschaft der Union abhängig gemacht. Friedrich Merz gefällt das.

Quelle: ntv.de

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