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Streit mit der Türkei Seltsam, was Wahlkampf bewirken kann

Nach den Niederlanden verbietet auch das Saarland Wahlkampfauftritte türkischer Politiker. In beiden Ländern wird noch in diesem Monat gewählt. Ein Zufall? Wohl kaum.

Jetzt also auch das Saarland. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU will Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in ihrem Bundesland untersagen lassen. "Innertürkische Konflikte haben in Deutschland nichts zu suchen", sagte sie zur Begründung. "Wahlkampfauftritte, die den inneren Frieden in unserem Land gefährden, gehören verboten."

Man kann das so sehen. In vielen demokratischen Ländern ist Meinungsfreiheit kein absolutes Gut, sondern kann, je nach Tradition des Landes, eingeschränkt werden. Etwa, wenn es um die Religion geht. Oder, wie in Deutschland, um die Leugnung des Holocaust.

Man kann das aber auch anders sehen. "Erdogan bedroht zwar Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Vielfalt in der Türkei, doch er und seine Minister bedrohen sie sicher nicht in Deutschland, wenn sie in Konsulaten oder Veranstaltungssälen vor ein paar Hundert oder ein paar Tausend Deutsch-Türken auftreten, die ohnehin schon mit dem starken Mann vom Bosporus sympathisieren", hier es vor ein paar Tagen auf dieser Seite in einem Kommentar. Diese Sätze bleiben richtig – auch wenn man, wie gesagt, eine andere Meinung zu den Auftritten türkischer Politiker in europäischen Ländern haben kann.

Die Methode Erdogan

Eines ist allerdings auffällig: In den Ländern, die türkischen Politikern Wahlkampfauftritte verboten haben, wird demnächst gewählt. In den Niederlanden am 15. März. Im Saarland am 26. März. In Österreich regulär zwar erst im nächsten Jahr. Aber das Land befindet sich seit Monaten im Wahlkampf. Vorgezogenen Parlamentswahlen noch in diesem Jahr sind alles andere als ausgeschlossen. In Österreich und den Niederlanden gibt es zudem starke rechtspopulistische Parteien, die Umfragen zufolge Chancen haben, stärkste Kraft in den jeweiligen Parlamenten zu werden. Ein Zufall? Wohl kaum.

Es ist ein bisschen unfair, die Auftrittsverbote gegen türkische Minister mit den politischen Methoden des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan zu vergleichen. Dennoch gibt es eine klare Gemeinsamkeit. In beiden Fällen wird mit Feindbildern gearbeitet, um Wahlen zu gewinnen. Erdogan macht es so, um die Anhänger der nationalistischen Partei MHP auf seine Seite zu ziehen. Dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte dürfte es um potenzielle Wähler des Anti-Islam-Politikers Geert Wilders gehen.

Erdogan hat diese Taktik nicht erfunden, sie ist vermutlich so alt wie die Demokratie. Aber sie funktioniert noch immer – leider, denn so wird die öffentliche Meinung vergiftet. Die jüngste Umfrage sieht Ruttes konservativ-liberale VVD bei 27 Prozent – drei Punkte vor Wilders' PVV. Im Saarland steht die CDU übrigens bei 34 Prozent, Tendenz fallend. Hier ist es die SPD, die Kramp-Karrenbauer bedrängt; die AfD steht einer aktuellen Forsa-Erhebung zufolge nur bei 6 Prozent.

Die Bundesregierung hat bislang eine andere Position als die Niederlande und Österreich. Es gibt kein generelles Verbot von Auftritten türkischer Politiker, solange deutsche Gesetze und das Veranstaltungsrecht beachtet werden. "In diesem Rahmen können Auftritte möglich sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Aber angesichts der Eskalation der letzten Tage ist es auch klar, dass die Bundesregierung die Lage sehr genau beobachtet und dass sie ihre Entscheidungen entsprechend fällt."

Natürlich kann der Punkt kommen, an dem es richtig – oder weniger falsch – ist, türkischen Politikern den Wahlkampf in Deutschland zu untersagen. Tägliche Nazi-Vergleiche aus Ankara beispielsweise können dazu beitragen. Aber bekanntlich wird auch in Deutschland in diesem Jahr gewählt. Es wäre gut, wenn dieser Termin keine Rolle bei der Entscheidung spielen würde.

Quelle: ntv.de

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