Alle beichten Doping Ulle auch, irgendwie
02.07.2007, 14:00 UhrUm es noch einmal zu betonen: Der erste Fahrer, der wirklich umfassend über das wirklich umfassende Doping im Radsport berichtet hat, war nicht Jörg Jaksche. Jener "Gefangene" des Systems Radsport, der im "Spiegel" den üppig bezahlten Ausbruch wagte.
Es war auch nicht Bert Dietz, der sich von Reinhold Beckmann angeblich mit einer sechsstelligen Summe – deren Zahlung der NDR freilich dementiert – in den öffentlich-rechtlichen Beichtstuhl bitten ließ.
Der erste Profi, der detailliert das flächendeckende Doping im Radsport offenlegte, war der Spanier Jsus Manzano - im März 2004, in einem ebenfalls bezahlten Interview mit der spanischen Sportzeitung "AS". Das nur zur Erinnerung, denn darum soll es hier gar nicht gehen.
Worum es hier geht, ist, was eigentlich Jan Ullrich inmitten der teils tränenreichen Geständnisflut der letzten Wochen eigentlich so gemacht hat. Zu gestehen hat er ja schließlich nichts ("Es gibt für Jan keinen Grund, sich öffentlich zu äußern"). Oder doch?
Ein Blick auf seine Homepage lässt zumindest Zweifel daran aufkommen, dass Ullrich keinerlei Zweifel plagen. Wo sonst, inmitten wilder Dopingspekulationen, die Schwangerschaft der eigenen Gattin ("Pures Glück") vermeldet oder – nach einem "Blick in die Medien" - auf eine "neutrale Journalistenrecherche" verwiesen wird, die sich als Kommentar jenes Henry Fecherolle herausstellt, der auch die Website www.andreas-kloeden.com redaktionell betreut, findet sich durchaus Erstaunliches, in seiner Letterbox.
Erstaunlich deshalb, weil Ullrich alle Besucher der Seite geradezu darauf stößt, doch bitte auch die interessanten Beiträge in der Letterbox zur Kenntnis zu nehmen.
Neben allerlei Liebesbekundungen ("Dein glühender Fan, Thomas", "Du warst so ein toller Radprofi"), Glückwünschen zur Schwangerschaft ("Große Klasse, dass ihr jetzt euer Glück verdoppelt"), Durchhalteparolen ("Lass Dich nicht unterkriegen und zieh Dein Ding durch!!!") lässt Ullrich dort auch Beiträge veröffentlichen, in denen es unter anderem heißt:
"Hallo Jan, wer nicht Radfahren kann wird auch mit EPO nicht Tour Sieger. Man kann davon ausgehen, dass alle Bergfahrer EPO genommen haben also ist die Chancengleichheit wieder hergestellt."
Oder: "Zum Thema Doping mache ich Ihnen sicherlich nicht den kleinsten Vorwurf, da falls man die Annahme macht, dass zu der Zeit fast jeder EPO genommen hat, die Chancengleichheit wieder hergestellt war und Sie Ihr einzigartiges Talent nach vorne gebracht hat. Schade finde ich es, dass Sie sich bisher überhaupt nicht zu den Vorwürfen geäussert haben, wobei ich natürlich verstehe, dass es bei Ihnen um etwas "mehr" Geld geht als bei den anderen. Die Rechtslage ist sicherlich bei Ihnen auch wieder anders."
Die Zeit ist noch nicht reif
Eine Annahme, die Ullrich sogar bestätigt. Wegen des schwebenden Verfahrens könne er, leider, leider, keine "befriedigenden Antworten" geben, was für Außenstehende natürlich nur schwer zu verstehen sei. Er hoffe aber, dass "bald die Zeit gekommen ist, in der ich mich äußern kann".
Bis es soweit ist, lässt Ullrich zum Schutz seiner Exklusivrechte an etwaigen Enthüllungen der Presse untersagen, bestimmte Äußerungen bestimmter früherer Beschäftigter des Team Telekoms erneut zu veröffentlichen.
Dass Ullrich nicht allein auf sein unbestrittenes Talent vertraut hat, legen zumindest die von ihm zur Veröffentlichung freigegebenen Kommentare in seiner Letterbox nahe. Doch wer ihm was wohin verabreicht hat, das will er offenbar selbst erzählen. Johannes B. Kerner, übernehmen sie!
von Christoph Wolf
Quelle: ntv.de