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Zwischenruf Wozu eigentlich Lissabon?

Zwei "politische Leichtgewichte" sollen Europa führen.

Zwei "politische Leichtgewichte" sollen Europa führen.

(Foto: REUTERS)

Die Europäische Union hat mit der Nominierung von Herman Van Rompuy und Catherine Ashton wieder einmal bewiesen, dass sie den Vertrag von Lissabon nicht ernst nimmt.

Anstatt starke europäische Persönlichkeiten von internationalem Ruf für die Posten des Ständigen Ratspräsidenten und des Außenministers zu benennen, wählt sie unbekannte Gesichter. Sowohl der belgische Premier als auch die britische Handelskommissarin sind politische Leichtgewichte. Rompuy ist zwar als Premier in die Rolle eines Vermittlers zwischen den ewig streitenden Wallonen und Flamen hineingewachsen. Aber Eintracht zwischen den widerstrebenden Interessen der 27 Mitgliedsstaaten herzustellen dürfte unendlich schwieriger sein. Zudem ist Rompuy Mitglied der Partei Christen-Democratisch en Vlaams, die schon in Sachen belgische Einheit nicht koscher ist. Wie will ein Politiker mit diesem Hintergrund für die Einheit Europas wirken?

Stimmt: Frau Ashton hat sich als Mitglied des Oberhauses für den Lissabon-Vertrag stark gemacht. Aber außer Insidern ist sie kaum bekannt. Ist ihr bisheriges Ressort schon diffizil genug, so sind die Außenbeziehungen ein Minenfeld. Die erste ist schon explodiert. Als sie ihre besonderen Beziehungen zu Österreich mit einem Besuch der Salzburger Festspiele auf Einladung von Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und der alpenländischen Herkunft der Familie ihres Mannes erklärte. Warum, bittschön, hat man sich nicht für die eloquente Landsfrau aus dem Salzburger Land entschieden, die auf diplomatischem Parkett Erfahrung hat? Oder die frühere lettische Staatschefin Vaira Vike-Freiberga, was den ost- und ostmitteleuropäischen Mitgliedern Respekt gezollt hätte? Warum anstelle von Rompuy nicht den Ur-Europäer Jean-Claude Juncker, der einem heftigen Werben aus Berlin oder Paris schlussendlich dann ganz sicher doch erlegen wäre?

Die Großen in der EU, namentlich Deutschland und Frankreich, brauchen keine starken europäischen Führungspersönlichkeiten. Weil sie die Geschicke Europas weiterhin bestimmen wollen. Wozu dann eigentlich der Lissabon-Vertrag?

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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