Zwischenruf Zypern: Bleibt alles anders
07.07.2011, 16:50 UhrIn Genf beginnt nun eine neue Gesprächsrunde zwischen dem Präsidenten der Republik Zypern und dem obersten Vertreter des türkisch besetzten Nordteils der Mittelmeerinsel. Alle Seiten beschwören die Dringlichkeit einer Lösung des mehr als 35 Jahre alten Konflikts. Gleichwohl ist wenig wahrscheinlich, dass eine Lösung gefunden wird.
Zypern steht nicht nur für Geschichte, landschaftliche Schönheit und die Liebesgöttin Aphrodite, die an den Gestaden der Mittelmeerinsel aus dem Meerschaum geboren sein soll. Zypern ist neben Israel-Palästina das Beispiel für das Unvermögen oder den Unwillen der internationalen Gemeinschaft, einen Langzeitkonflikt zu lösen.
Wenn sich nun in Genf unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen der Präsident Zyperns Demetris Christofias und der Chef der türkischen Volksgruppe der Insel Dervis Eroglu zum wiederholten Mal seit Beginn der Gespräche vor fünf Jahren treffen, ist kaum mit einem Durchbruch zu rechnen. Gefragt, ob er denn mit einer Beschleunigung des Verhandlungsprozesses rechne, sagte der UN-Sonderbeauftragten für Zypern, Alexander Downer, flapsig ja. Aber nur, wenn man bedenke, dass sich in den Verhandlungen seit Monaten nichts bewegt habe.
Die meisten Angehörigen der griechisch-zypriotischen Bevölkerungsmehrheit wie der Inseltürken sind für die Wiedervereinigung. Erstere bevorzugen einen Bundesstaat mit starker Zentralmacht, die zweiten eher einen Staatenbund mit einer schwachen Zentralverwaltung.
Knackpunkte sind die Zukunft der bis zu 45.000 Mann starken türkischen Besatzungsarmee im Norden und Eigentumsfragen: Angehörige beider Volksgruppen mussten das Siedlungsgebiet der jeweils anderen verlassen, Grundstücke sind zumeist von Türken respektive Griechen in Beschlag genommen. Schon 2004 war ein Referendum an den griechischen Zyprioten gescheitert, weil ein Großteil von ihnen nicht in ihre alte Heimat zurückgekonnt hätte. Zudem lehnten sie eine – befristete – Fortdauer der türkischen Besatzung ab.
Ungeklärt ist auch, wie viele der von der Regierung in Ankara auf der Insel angesiedelten Festlandtürken nach einer - wie auch immer gearteten - Lösung des Zwistes ebenda verbleiben dürfen. Die Zyperntürken hatten sich 2004 mehrheitlich für den Plan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan ausgesprochen. Sie könnten aus dem Zusammengehen mit dem EU-Mitgliedsstaat Zypern überwiegend Vorteile ziehen. Präsident Christofias will nun eine Deadline setzen: Bis Mitte nächsten Jahres, wenn sein Land die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, müsse eine Lösung her. Das Wort des Kommunisten in Gottes Ohr. Wahrscheinlicher ist, dass alles anders bleibt.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de