Wieduwilts Woche

Die CDU macht Strammer Max Hendrik Wüst jagt Dr. Nö

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Hendrik Wüst, hier am 12. Februar in Köln, kann sogar Karneval, obwohl er aus dem Münsterland kommt.

Hendrik Wüst, hier am 12. Februar in Köln, kann sogar Karneval, obwohl er aus dem Münsterland kommt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Europawahl hat ein Machtbeben ausgelöst: Frankreich ist geplatzt und Deutschland steht im Schock, jedenfalls bis zum Anpfiff. Wie es nun weitergeht, analysiert man am besten anhand verschiedener Eierspeisen.

Die Europawahl, herrje: Eigentlich eine Nebensächlichkeit, dachte man, da brauche man nicht hinzugehen, ätzte "Politico" - und kaum ist gewählt, da sprengt Emmanuel Macron das französische Parlament. In Deutschland steht der Bundestag noch, aber auch hier sortieren sich nach dem Rechtsruckschock die Parteien. Manche lecken ihre Wunden, andere bringen sich in Stellung. Es ist, als habe jemand ein paar politische Eier aufgeschlagen und suche nun nach einem Rezept. Bleiben wir ruhig bei diesem Bild.

Für die AfD gibt es, na klar, ein Bauernfrühstück: Man setzt auf Kartoffeln und erfreut sich des Zuspruchs aus der Landbevölkerung. Warum auch nicht? Alles, was in der Politik weh tut, schmerzt in der Pampa doppelt. Hier sind proportional mehr Migranten, weniger Straßenbeleuchtung, weniger öffentliche Verkehrsmittel, hier knallt der Mangel an ärztlicher Versorgung durch und mit Vorurteilen gegen die Blase Berlin (Gendern, Kaffee-Klischees) kann man sich auf dem Dorf auch leichter identifizieren als, sagen wir, in Köln.

Für die FDP heißt es: Sunny side up! Also Eier gebraten, aber die Hitze nicht bis zum Gelb vordringen lassen. Das Ergebnis war erträglich, bei der Bundestagswahl droht dennoch alles anzubrennen, denn dann gilt es, über die Fünf-Prozent-Hürde zu springen. Die Kurssuche erschwert nun allerdings, dass in dieser Woche der Bundesverband der Industrie ein Sondervermögen herbeiwünscht und damit den Liberalen quasi in den Rücken fällt. Nun steht Christian Lindner Rücken an Rücken mit dem CDU-Wirtschaftsrat und kann sich mit diesem Theodor-Weimer-Videos reinziehen, bis ihm das Benzin hochkommt. Aber ob das für mehr als 5 Prozent reicht?

Verbohrt, verschraubt, verdreht, entwirklicht

Die SPD wiederum serviert absolut betonhart gekochte Eier. Man dürfe jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen, sagte Olaf Scholz, und ging buchstäblich im nächsten Satz zur Tagesordnung über. Von seiner unverhohlenen Arroganz gegenüber einer neugierigen, leider aber nach wie vor sehr dummen Öffentlichkeit rückt er auch nicht ab - schon wieder redet man tagelang über eine Kanzlersilbe, nämlich das "Nö", mit dem der Kanzler am Wahlabend einer Journalistin antwortete, die fragte, ob er das Wahlergebnis kommentieren wolle.

Wie verbohrt, verschraubt, verdreht und ganz und gar entwirklicht manche Sozialdemokraten sind, ließ Spitzenkandidatin Katarina Barley wissen: Nach krachender Niederlage will sie mit einem europäischen Spitzenamt belohnt werden, nämlich dem der Vizepräsidentin des Europaparlaments, und weil das bei weiten Teilen der Öffentlichkeit für wuthalber geplatzte Augenäderchen sorgte, gab Barley folgende, beruhigend gemeinte Auskunft: "Das ist ein eigener politischer Bereich, wo eigene Gesetze gelten." Da hat Barley die hartgekochten Eier direkt ins Gesicht der Wähler geworfen.

Von den Grünen ist derweil nichts übrig, das wenige lässt sich mit allenfalls zu einem faden Rührei vermischen. Wer sich Selbstanalysen aus der Partei anschaut, verliert jede Hoffnung auf eine Erholung: Die Kommunikation sei es vor allem, heißt es in einem Papier der grünennahen Böll-Stiftung. Das Wort Migration kommt im gesamten Text nicht ein einziges Mal vor, das erledigte dann immerhin Winfried Kretschmann - aber auf den hört ja keiner mehr.

Strammer Max

Deutlich appetitlicher präsentieren sich die Konservativen, man kann da nur von "Strammer Max" sprechen: Sie können kaum laufen vor Kraft. Friedrich Merz steht an der Spitze einer geeinten Union, selbst Markus Söder hält sich mit Verhaltensauffälligkeiten derzeit zurück.

Wenn da nicht Wüst wäre. Wüst? Das ist der Chef des mächtigen NRW-Landesverbands und Ministerpräsident des Landes, an der Spitze einer harmlos vor sich hinregierenden schwarzgrünen Koalition. Hendrik Wüst hatte die letzten Monate lächelnd Kinderwagen vor den Kameras herumgeschoben - doch jetzt hat er auf einmal eine Peitsche in der Hand.

Der Kanzler müsse mit den Taliban reden, damit man die Afghanen leichter aus dem Land werfen kann, sagte Wüst auf einmal in der Landespressekonferenz. Klar sei das schon eine Zumutung (immerhin sind die Taliban radikale Islamisten), aber das sei jetzt nötig, "bevor es uns hier unsere Gesellschaft auseinanderhaut, weil die Menschen kein Verständnis dafür haben". Für Olaf Scholz sei Steuerung und Ordnung beim Thema Migration "die letzte Ausfahrt".

Zuckerbrot und Peitsche

Hendrik Wüst jagt Dr. Nö! Wüst macht das formvollendet: Kurz nach dieser Schelte gratuliert er noch schnell demselben Kanzler auf X zum Geburtstag, dort noch vor Merz übrigens, und mit einem charmanten Foto. Zur Peitsche gehört eben auch das Zuckerbrot - und was weiß Wüst denn, mit wem er irgendwann mal eine Große Koalition anführen muss?

Überhaupt, Wüst, Wüst, Wüst: Als Friedrich Merz die Zusammenarbeit mit dem BSW ausschließt, zeigt sich Wüst offen. Für Osten und Westen brauche es einen "Einigungsvertrag 2.0", sagt er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "2.0", lange nicht gehört, den Software-Versions-Quatsch, aber die Leute verstehen’s halt. Junge Menschen sollen von hier nach drüben und umgekehrt reisen, rät Wüst, denn das "öffnet Perspektiven für mehr Verständnis untereinander".

Wüst weiß, wie wuchtig das wirkt: "Kanzler der Einheit" in spe, soll das vielleicht heißen. Kanzlerneurosen der CDU weiß der 48-Jährige schließlich schon länger zu bespielen: Immerhin war es Wüst, der mit einem Gastbeitrag in der FAZ Friedrich Merz aufs Blut reizte: Mit einem solchen Gastbeitrag in der FAZ hatte Angela Merkel damals Helmut Kohl abserviert.

Auf die Bundesbühne

Und damit es auch wirklich alle kapieren, schreibt die "Welt" aus, was Wüst ununterbrochen signalisiert: "Jetzt drängt Hendrik Wüst auf die Bundesbühne"! Das schreiben Medien in der Regel dann über einen Politiker, wenn zuvor einer aus dessen Umfeld gesagt hat: "Guck mal, jetzt drängt der auf die Bundesbühne!"

Auf der Bühne steht allerdings schon jemand, der gerade zu Statur gefunden hat. Auf Wüsts letzte Attacke reagierte Friedrich Merz noch mit einer Gemeinheit vor laufender Kamera. Jetzt kann er beweisen, dass er "schussfest" ist, also nicht bei jedem Knall durchdreht. Immerhin: Die Union sitzt nicht nur wegen Laschets Lachen, sondern auch wegen der Männerfehde Merz/Söder in der Opposition.

(Und wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, wissen, wo die Bezeichnung "Strammer Max" herstammt, erkennen Sie sofort, wie gut diese Metapher hier funktioniert.)

Quelle: ntv.de

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