
Im Osten gibt es nicht viele Partner für die CDU, das weiß Merz eigentlich. Umso unverständlicher, dass er eine Zusammenarbeit mit dem BSW quasi ausschließt.
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Nach dem Erfolg bei der Europawahl blickt die CDU nun auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Parteichef Merz schließt eine Koalition mit dem BSW aus. Damit fährt er den eigenen Parteifreunden in die Parade.
Sahra Wagenknecht und Friedrich Merz, da passt einfach gar nichts zusammen. Auf der einen Seite die Linkspopulistin, Putin-Versteherin und Anti-Amerikanerin. Auf der anderen Seite der CDU-Chef, der bekennende Transatlantiker, der ein noch robusteres Vorgehen gegen Putin fordert. Dem sich die Fußnägel hochrollen, wenn er das Wort "links" hört.
Insofern war es kein Wunder, dass Merz am Sonntag in der ARD ausschloss, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu kooperieren. "Wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen", sagte er. Für Wagenknecht gelte beides: "Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem."
Damit stellte er das BSW auf eine Stufe mit AfD und Linken. Verständlich aus Sicht von Friedrich Merz. Nur, war das auch klug? Oder war das einfach nur ein Patzer? Tatsache ist: Anschließend brach eine Welle des Widerspruchs über ihn herein - und zwar aus der eigenen Partei.
In Thüringen, Sachsen und Brandenburg sehen sie es anders
Mario Voigt zum Beispiel, CDU-Chef von Thüringen. Er sagte schon im Interview mit ntv.de, das BSW sei programmatisch eine Blackbox und: "Was ich in Sachen Migration höre, ist viel lebensnäher als das, was die Linke sagt." Damit machte er das, was jemand tun muss, dem die Koalitionspartner ausgehen: sich ein Hintertürchen offenhalten. Denn mit AfD und Linken will die CDU nirgendwo regieren, auch nicht in Thüringen. Der "Welt" sagte Voigt am Dienstag, Merz habe wohl für die Bundesebene gesprochen, davon gehe er aus. Eine Koalition schloss er nicht aus.
Das gleiche Bild in Brandenburg. Dort will der CDU-Landesvorsitzende Jan Redmann Ministerpräsident werden. Der Spitzenkandidat erklärte Merz für nicht Brandenburg-zuständig. Redmann sagte ebenfalls, der Bundesvorsitzende habe für die Bundesebene gesprochen. Er will sich dieselbe Hintertür offen halten wie sein Thüringer Parteifreund Voigt: "Zum jetzigen Zeitpunkt können wir in Brandenburg weder Personen noch Programme bewerten."
Aus Sachsen bekam Merz ebenfalls keine Zustimmung. Dort regiert die CDU bereits, Michael Kretschmer ist Ministerpräsident und will es bleiben. "Die Diskussion der kommenden Wochen, Monate und Jahre muss doch sein: Was wollen sie? Wofür treten sie ein? Welche Partei steht hier wofür?" Ein klassisches Ausweichmanöver.
Der Grund für die frostige Reaktion der CDU-Chefs aus dem Osten ist immer der gleiche: bei den jeweiligen Landtagswahlen hat die Partei nur sehr begrenzte Koalitionsoptionen. Mit der AfD wollen sie nicht, mit der Linkspartei aber auch nicht. Es gibt Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Wer die infrage stellt, wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther mit Blick auf die Linke, um den wird es schnell einsam in der Partei.
Da ist das BSW ein möglicher Ausweg. Das hat zwar tatsächlich manches mit der AfD gemeinsam - und mit der Linken. Aber es gibt keinen Unvereinbarkeitsbeschluss. Koalitionen sind immer Kompromisse und es gibt Gemeinsamkeiten in der Migrationsfrage. In Sachsen ist es durchaus vorstellbar, dass nur CDU, AfD und BSW in den Landtag einziehen. SPD und Grüne könnten an der Fünfprozenthürde scheitern. Nicht ganz so extrem, aber ähnlich könnte es in Thüringen aussehen. Was dann?
Insofern ist es kein Wunder, dass die Herren Voigt, Redmann und Kretschmer nicht die Haustür zuschlagen und abschließen.
Wirklich für die Bundesebene gesprochen?
Merz weiß das eigentlich alles. Seine Ehrenrettung: Er habe nur für die Bundesebene gesprochen. Das sagen jene, die es gut mit ihm meinen. Da wird die Union nicht in die Verlegenheit kommen, sich mit dem BSW zu arrangieren. Nur gefragt worden war in der ARD ausdrücklich nach den Landtagswahlen in den drei Bundesländern.
Am Dienstag bekräftigte Merz seine Haltung vor Journalisten. Frau Wagenknecht stehe in manchen Themen "rechts außen, in anderen links außen." "Insofern sehe ich überhaupt keine Überschneidung in der Politik mit dieser Gruppierung." Damit fuhr er gewissermaßen dem Thüringer Voigt über den Mund, für den es diese Gemeinsamkeiten ja zumindest in der Migrationsfrage gibt. Merz fügte noch hinzu: "Alles andere werden wir uns noch im Lichte von Wahlergebnissen ansehen müssen", was einen gewissen Interpretationsspielraum lässt. Immerhin.
Unterm Strich bleibt aber der Eindruck: Merz ist dagegen, die Länderchefs sind dafür. Die CDU wirkt uneinig. Durch seine Äußerung hat der CDU-Chef das Thema größer gemacht, als es hätte sein müssen. So lenkt er auch vom Europawahldebakel der Ampel ab.
Überdies gab er einem möglichen Rivalen um die Kanzlerkandidatur eine Steilvorlage: Für die Union sei "klar, dass wir nicht mit Extremisten gemeine Sache machen", sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. "Aber ich würde auch dringend raten, nicht zu sehr mit pauschalen Empfehlungen von oben herab Vorgaben für vor Ort zu machen."
Quelle: ntv.de