Ratgeber

Dem Schimmel auf der Spur "Ein gekipptes Fenster ist kein Lüften"

Bei Schimmelflecken sollte man schon früh tätig werden.

Bei Schimmelflecken sollte man schon früh tätig werden.

(Foto: imago stock&people)

Schimmel gehört zum Leben irgendwie dazu - auch wenn die Vorstellung nicht schön ist. Abgesehen davon, kann er auch zum Problem werden. Wann das der Fall ist und wie dann vorgegangen w erden sollte, erklärt Schimmelexperte und Buchautor Jürgen Jörges im Interview.

ntv.de: Warum haben Sie das Buch geschrieben?

Jürgen Jörges: Ich wollte die Achtsamkeit für das Thema erhöhen. Aber wir machen uns das nicht bewusst. Eltern regen sich über eine kleine Schimmelstelle an einer Ecke in der Wohnung auf, wissen aber nicht, dass das Quietsche-Entchen voll mit Schimmel ist. Wir sehen den Schimmel immer nur in der bösen Ecke, aber merken nicht, dass er auch woanders sein kann. Er kann sich auch in Mülleimern, Kleintierkäfigen und vielen anderen Dingen verstecken.

In meinem Buch berichte ich auch über einen Dudelsackspieler, der an einer Lungenerkrankung gestorben ist und keiner wusste, warum. Dann hat man seinen Dudelsack untersucht. Durch die Spucke, die er da reingeblasen hat, war das Ding von innen total verschimmelt. Und wir stehen heute da und freuen uns, wenn Kleinkinder in ihre Plastikklarinette reinpusten. Das finden wir süß, aber wer macht das Ding trocken und wer wischt es aus?

Gehen Sie mal in ein Schwimmbad und nehmen Sie Ihren Badeanzug oder den Bikini. Legen Sie die in ein Handtuch und lassen das nasse Handtuch zwei Tage lang irgendwo liegen. Das fängt durch die Stoffwechselprodukte vom Schimmel an zu stinken. Ähnlich verhält es sich, wenn man die Wäsche nach dem Waschen stunden- oder tagelang in der Waschmaschine lässt.

Welche Ursachen hat Schimmel?

Die Ursache für Schimmel ist immer Wasser, also Feuchtigkeit. Prinzipiell ist es so, dass der Schimmel gnadenlos jede Gelegenheit zum Wachsen nutzt. Es ist ein Naturprodukt und der ist immer und überall in der Luft vorhanden - also in der Außen- wie in der Innenluft. Je nach Jahreszeit sind auch mal andere Schimmelpilzsporen in der Luft. Wenn der jetzt ein Plätzchen hat, wo es schön feucht und warm ist, bleibt er und wächst dort. Das heißt, der Schimmel nutzt die Chance, wenn er eine feuchte Bauteiloberfläche findet.

Es kommt auch darauf an, was wir im Haus alles machen und wie wir leben. Wir produzieren heute zudem mehr Feuchtigkeit. Wir haben uns auch abgewöhnt, die Bettwäsche nach dem Schlafen ans Fenster zu legen und die Matratze ausdunsten zu lassen. So bleibt die Feuchtigkeit im Raum drin.

Warum ist Schimmel besonders oft im Bad ein Problem?

Wenn wir fast jeden Tag duschen, produzieren wir eine Menge Feuchtigkeit. Wir machen zwar das Fenster auf, hängen dann aber wieder das Handtuch über die Heizung. Und wenn das Handtuch trocknet, erhöhen wir genauso schnell wieder die Luftfeuchtigkeit im Bad. Das sind natürlich ideale Wachstumsvoraussetzungen für den Schimmelpilz und deswegen kann es passieren, dass Schimmel im Bad etwas öfter vorkommt als in anderen Räumen.

Wie sollte man lüften, um dem Schimmel vorzubeugen?

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Ein gekipptes Fenster über einen längeren Zeitraum ist kein Lüften. Wenn man das Bad nach dem Duschen kurz lüftet, reicht das nicht aus. Man müsste das Fenster nach dem Schließen noch mal aufmachen. Es ist immer eine bestimmte Wassermenge in der Luft gebunden, sowohl in der Außenluft als auch in der Innenluft. Deswegen heißt es relative Luftfeuchtigkeit. Kalte Luft kann wenig Feuchtigkeit aufnehmen, warme Luft kann sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen. Jetzt habe ich in der Außenluft bei 0 Grad wenig Feuchtigkeit und in der Innenluft im Bad vielleicht 23 Grad und viel Feuchtigkeit. Wenn ich jetzt das Fenster aufmache und die Luftmassen austausche, geht nur die Differenz der Innenluft zur Außenluft raus. Mein nasses Handtuch, das noch auf dem Halter hängt, hat aber auch noch Wasser. Das ist nicht in der Luft, sondern im Handtuch. Deswegen muss man das Fenster noch mal aufmachen. Das Geheimnis beim Lüften besteht darin, öfter das Fenster aufzumachen.

Warum ist Schimmel vor allem im Winter ein Problem?

Jürgen Jörges

Jürgen Jörges

Im Winter wächst der Schimmel öfter in den Wohnungen, weil es dort einfach aufgrund der physikalischen Gegebenheiten, sprich Bauteiloberflächen, zur Kondensatbildung kommt. Das ist im Sommer nicht der Fall.

Welche Gesundheitsgefahren birgt Schimmel?

Ohne Schimmel gibt es keine Hefe, keinen Wein, keine Edelsalami. Mittlerweile gibt es ganz viele Bemühungen, Fleisch- und Wurstersatz über Schimmelpilzkulturen herzustellen. Schimmel ist also per se nichts Schlechtes und nicht jeder Schimmelfleck ist dazu verdammt, unsere Gesundheit zu schädigen. Gefährlich wird es, wenn wir uns über einen längeren Zeitraum in einer mit Schimmel belasteten Wohnung aufhalten oder darin leben. Das Schwierige dabei ist, dass die Symptome schnell mit anderen Beschwerden wie einer Hausstauballergie verwechselt werden können. Ein trockener Reizhusten kann als Ursache auch einen Schimmelpilzbefall haben. Man kann es nicht klar erkennen und zuordnen.

Woran erkennt man Schimmel in der Wohnung?

Prinzipiell ist es so, dass man Schimmel gar nicht erkennen sollte. Schimmel ist ein mikrobiologischer Befall, der so klein ist, dass er mit dem normalen Auge eigentlich nicht erkennbar ist. Wenn ich irgendwann die Schimmelflecken an der Wand habe, sind das einfach schon ganz viele Schimmelspuren, die da wachsen. Auch der schwarze Schimmel war irgendwann schon da und ist gewachsen, aber ich habe ihn nur noch nicht gesehen.

Kann man vor der Sichtbarkeit irgendwie erkennen, dass man bereits Schimmel in der Wohnung hat?

Eigentlich nicht. Wenn ich in eine Wohnung komme und immer wieder einen unangenehmen Geruch (leicht modrig, muffig) feststelle, den ich nicht zuordnen kann, könnte ein Schimmelproblem dahinterstecken. Man kann den Schimmel mit Luftkeimmessungen suchen. Was auch sehr gut funktioniert in Zusammenarbeit mit einem Fachmann, ist der Einsatz von Schimmelpilzhunden. Deren Nase ist so fein, dass die den Schimmel auch im Untergrund finden. Dann überprüft man, ob der Hund richtig lag.

Wie entfernt man Schimmel am besten?

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Prinzipiell sollte man immer selbst tätig werden, und zwar, wenn der Schimmelfleck noch ganz klein ist. Wenn der so groß ist wie eine 5-Cent-Münze, erkenne ich ihn und bekämpfe ihn mit desinfizierendem Alkohol aus der Apotheke. Damit kann man den Schimmel abwaschen. Wichtig ist, frühzeitig tätig zu werden, damit der Schimmel keine Chance hat, sich auszubreiten und in die Tiefe zu wachsen.

Alternativ gibt es jede Menge Schimmelpilzentferner. Ich persönlich mag keine chlorhaltigen Schimmelpilzentferner, weil sie sehr lange nach Schwimmbad riechen. Aber natürlich wirken die genauso gut. Dann gibt es welche auf Basis von Wasserstoffperoxid oder einer stabilisierenden Fruchtsäure. Die funktionieren auch gut. Bitte keine Essig-Essenz nehmen, weil das nicht funktioniert. Das ist dann eher noch Nahrung für den Schimmelpilz.

Was muss man bei der Entfernung von Schimmelflecken beachten?

Zu Zeiten von Corona hat ja jeder Masken zu Hause. Die sollte man auch aufsetzen, wenn man den Schimmel beseitigen will. Zur Schutzausrüstung gehören auch noch Brille und Handschuhe. Wenn der Schaden größer wird, bitte einen Anzug anziehen.

Wann sollte man sich an einen Profi wenden?

Meistens ist das dann der Fall, wenn man Schrank oder Sofa wegräumt und die Fläche größer als ein halber Quadratmeter ist. Dann sollte man die Arbeit von einem Profi machen lassen.

Wie gehen Sie bei großem Schimmelbefall vor?

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Das ist unterschiedlich. Es gibt die Möglichkeit, mit einer Porenbinde erstmal die Poren festzukleben, damit die nicht in die Raumluft gehen. Große Maßnahmen sind dann die Abschottungen, damit der Arbeitsbereich von dem restlichen Wohnbereich getrennt ist. So wird verhindert, dass sich die Schimmelsporen aus der einen Ecke in die andere Ecke der Wohnung verteilen. Deswegen hängt es immer vom Befall selbst ab, mit welchen Methoden man arbeitet. Wir arbeiten mit Wasserstoffperoxid, weil der Alkohol die Luft so stark benetzen würde, dass Explosionsgefahr besteht. Wir arbeiten auch mit Vollschutz und Maske.

Mit Jürgen Jörges sprach Isabel Michael

Quelle: ntv.de, imi

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