Verbraucherzentrale testet verdeckt Miese Noten für Zahnärzte
17.01.2013, 15:25 UhrDie Verbraucherzentrale Hamburg testet versteckt 30 Zahnärzte. Bewertet werden die Qualität der Diagnose, die Risiken der Behandlung und die möglichen Kosten. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Das schaut nicht gut aus für die getesteten Zahnärzte, meint die Verbraucherzentrale Hamburg.
(Foto: picture alliance / dpa)
Eine Patientin mit Zahnlücke hatte im Herbst 2012 im Auftrag der Verbraucherzentrale Hamburg in drei Stadtteilen der Hansestadt je zehn Zahnärzte aufgesucht, um sich untersuchen und beraten zu l assen.
Die Befunde bewertete die Verbraucherzentrale Hamburg mit Hilfe dreier Referenzzahnärzte nach anerkannten Fachkriterien, insbesondere: Aufklärung über Behandlungsrisiken, wirtschaftliche Aspekte, Materialwahl beim Zahnersatz und Beachtung der individuellen Wünsche der Patientin. Gleichzeitig konnte die Probandin beobachten, ob Zahnärzte in reichen und armen Stadtteilen unterschiedlich beraten. Keiner der Zahnärzten erfüllte alle Kriterien, die die Verbraucherzentrale vorher zusammen mit drei Referenzzahnärzten aufgestellt hatten. 63 Prozent (19 Zahnärzte) bestanden (Schulnoten 1 bis 4), 37 Prozent (11 Zahnärzte) fielen durch.
"Ihnen fallen bald alle Zähne aus"
Nur 40 Prozent prüften die Tiefe der Zahnfleischtaschen. Eine Zahnärztin warnte, beim Verzicht auf Zahnersatz würden in den nächsten 10 bis 20 Jahren alle Zähne ausfallen; erst würden die Nachbarzähne in die Lücke kippen, später würden alle anderen Zähne instabil. Doch sowohl die Referenzzahnärzte als auch mehr als die Hälfte der besuchten Zahnärzte beurteilten den Zustand der Zahnlücke als unbedenklich.
Die Ergebnisse zeigen nach Auffassung der Verbraucherzentrale nicht nur Mängel in der zahnärztlichen Beratung, sondern weisen auch auf Systemfehler hin. So fehlten offizielle Leitlinien, wie eine gute Erstuntersuchung auszusehen hat, und die Heil- und Kostenpläne seien häufig für einen Angebotsvergleich ungeeignet.
Nach Stadtteilen erreichten die Zahnärzte in Rotherbaum die Durchschnittsnote befriedigend, in Wilhelmsburg ausreichend und in Poppenbüttel ungenügend. Es bestätigte sich die Vermutung, dass in "reichen" Stadtteilen eher teurere Behandlungen empfohlen werden als in "armen". Obwohl die Patientin nicht den ausdrücklichen Wunsch zur Schließung der Zahnlücke äußerte und diese auch nicht medizinisch indiziert war, rieten in Poppenbüttel acht von zehn Zahnärzten, die Zahnlücke mit Implantat oder Brücke zu schließen. Zitat eines Arztes: "Wenn Sie diese Zahnlücke nicht behandeln lassen, fallen Ihnen bald alle Zähne aus!" Dagegen schnitt Poppenbüttel bei der Kariesdiagnostik relativ am besten ab. In dem "armen" Stadtteil Wilhelmsburg erreichte ein Zahnarzt die Bestnote. Zudem waren die Wilhelmsburger Zahnärzte in der allgemeinen Beratung zum Zahnersatz etwas besser als die Poppenbütteler.
Die Untersuchung ist veröffentlicht worden unter https://www.vzhh.de/gesundheit/293166/2013-01-17_-Zahn%c3%a4rztetest.pdf.
Berufsethische Verantwortung gefordert
Die Verbraucherzentrale fordert von der Zahnärzteschaft erstens Leitlinien zur Erstuntersuchung, Diagnose, Aufklärung und Behandlung, zweitens Indikatoren zur Überprüfung der Qualität von Untersuchung, Aufklärung und Behandlung, und drittens die Ermittlung und Berücksichtigung der Patientenpräferenzen.
Zur zahnärztlichen Behandlung gehört auch eine umfassende Beratung, von der richtigen Mundhygiene bis zu Alternativen beim Zahnersatz. Schon 2001 bemängelte ein Gutachten des Sachverständigenrats Gesundheit, im Rahmen zahnärztlicher Behandlung stünden häufig notwendige und nicht notwendige Maßnahmen nebeneinander. Patienten wissen jedoch zu wenig, um die Notwendigkeit einer Behandlung beurteilen zu können, und müssen der Beratung ihrer Zahnärztin vertrauen.
2004 betonte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, wie wichtig die Beteiligung der Patienten ist und dass ohne ihr Mitwirken langfristige Präventionsziele nicht erreicht werden können. Als Ziel nennt sie dabei auch die "Förderung der sozialen und berufsethischen Verantwortung des zahnärztlichen Berufsstandes".
Quelle: ntv.de