Ratgeber

Ran ans Eisen Utopie bügelfreie Hemden

Unter vielen Weihnachtsbäumen werden sie auch in diesem Jahr wieder liegen: Oberhemden gehören zu den beliebtesten Geschenken der Frau an ihren Ehemann. Dabei tun sich die meisten Damen mit dem Geschenk nicht einmal einen Gefallen: Zwar sieht der Mann in einem frisch geplätteten Exemplar gut aus. Vor einem ansehnlichen Ergebnis steht aber nach jeder Wäsche viel Arbeit - es sei denn, es wird auf so genannte bügelfreie Hemden zurück gegriffen.

Wer hofft, das Bügeleisen in diesem Fall in den Schrank stellen zu können, täuscht sich aber in der Regel: Denn "bügelfrei" bedeutet noch lange nicht, dass ein Hemd nach der Wäsche wie gebügelt aussieht, warnen Fachleute. Es komme immer auf den Maßstab des Trägers an. "Bügelfrei" sei zwar eine klare Aussage, sagt Renate Ehrnsperger, Textil-Expertin bei der Stiftung Warentest in Berlin. "Normalerweise erwartet der Verbraucher, dass er dann nicht bügeln muss." In der Praxis sei aber allen bekannt, dass sie nachbügeln müssen. Das hätten Befragungen der Zeitschrift "test" ergeben.

Nach Ansicht der Tester ist das eine "Irreführung" der Verbraucher. Denn an sich sollten Hersteller Hemden nur als "bügelleicht" auszeichnen - "bügelfrei" verkaufe sich aber besser, und beide Begriffe würden letztlich benutzt: "Es gibt keine Norm dafür", sagt Ehrnsperger.

Wer die Arbeitserleichterung beim Bügeln will, muss auf reine Naturfasern verzichten, denn künstliche Materialien wie Polyester sind deutlich pflegeleichter. Baumwollfasern quillen beim Waschen auf, erklärt Klaus Beck, technischer Oberlehrer für Textilverarbeitung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Reutlingen. "Dieses Quellverhalten versucht man durch eine Hochveredelung zu eliminieren."

In aufwendigen Verfahren werde der Stoff dabei mit Chemikalien imprägniert - entweder per Trocken- oder mittels Feuchtvernetzung. Das Ergebnis der Behandlung, deren Rückstände laut Beck beim ersten Waschen verschwinden, ist ein "bügelarmes" Gewebe: "Bügelfrei ist der falsche Ausdruck", sagt auch der Wissenschaftler - für ein perfektes Ergebnis muss immer per Hand nachgebügelt werden.

Dass der Griff zum Bügeleisen mit dem Kauf eines bügelfreien Hemdes nicht zwangsläufig der Vergangenheit angehört, räumen auch die Hersteller ein. "Die Stoffe werden zwar bügelfrei gemacht. Ein Hemd besteht aber auch aus Nähten", sagt zum Beispiel Wulf Nerbe, Geschäftsführer bei Eterna in Passau. Und gerade die Nähte und Säume eines Hemdes kräuselten sich beim Waschen. "Da muss man schon drüber gehen." Dass die Anbieter viele Hemden dennoch als "bügelfrei" etikettieren, begründet Nerbe mit den unterschiedlich hohen Maßstäben der Hemdenträger - nicht für jeden müsse der Look perfekt sein.

Ähnlich sieht das Christiane Müller, Sprecherin beim Hersteller Seidensticker in Bielefeld: Wer ein Hemd nur in der Freizeit trägt, werde nicht noch extra über die Nähte und Säume bügeln. Wer im Büro allerdings wie aus dem Ei gepellt aussehen muss, sollte sich die Mühe des Nachbügelns machen. Nach Müllers Erfahrung verzichten darauf aber sogar viele Geschäftsleute: "Der Business-Single-Mann bügelt das Hemd in der Regel nicht. Der hat da ein Sakko drüber und eine Krawatte."

"Sie brauchen das Hemd heute aber nicht mehr so lange bügeln wie früher", sagt Textilwissenschaftler Beck. Nach Worten von Renate Ehrnsperger ist für das Nachbügeln eines "bügelleichten" Hemdes ein Aufwand von maximal zehn Minuten notwendig. Bei einem "bügelfreien" Hemd reichten dagegen schon drei bis vier Minuten. Und wer möglichst wenig bügeln will, sollte genau auf die Pflegeanleitungen der Hersteller achten. Dabei gibt es allerdings nach Angaben der Stiftung Warentest keine einheitlichen Vorgaben - und es kann daher sehr zeitintensiv sein, alle Pflegetipps zu befolgen.

So bleibt das komplett bügelfreie Hemd wohl auf absehbare Zeit eine Utopie. Zwar arbeiten die Anbieter nach eigenem Bekunden weiter daran, den Knitter nach dem Waschen in die Geschichtsbücher zu verbannen. Mit Chemie zum Beispiel ist die Lösung aber wohl nicht herbei zu führen. Zu viel Imprägnierung würde zu Lasten des Tragekomforts gehen, erläutert Christiane Müller: "Sie können ein Hemd nicht komplett zukleistern."

Eterna setzt jetzt auf ein patentiertes Bändchen in den Hemdsäumen, um die Falten zu minimieren. Die Lösung für komplette Bügelfreiheit ist das aber auch noch nicht, räumt Geschäftsführer Nerbe ein: "Auch da kommt es immer noch auf den Anspruch des Trägers an."

Quelle: ntv.de

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