Segen oder Fluch?Zeitarbeit in der Krise
An der Zeitarbeit scheiden sich nach wie vor die Geister: Job-Motor oder Teufelszeug? Branchenvertreter werden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die Leiharbeit oft der erste Schritt zur Übernahme sei.
An der Zeitarbeit scheiden sich nach wie vor die Geister: Job-Motor oder Teufelszeug? Branchenvertreter werden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die Leiharbeit oft der erste Schritt zur Übernahme sei. Gewerkschafter kritisieren dagegen die oft schlechtere Bezahlung. In der derzeitigen Wirtschaftskrise müssen zudem etliche von ihnen um ihren Job bangen.
"Wir stellen einen massiven Abbau von Leiharbeit fest. Tausende Menschen werden gerade entlassen. Die Situation für die Kollegen ist sehr schwierig", sagt Jörg Weigand, der für die IG Metall in Frankfurt die Initiative "Gleiche Arbeit - Gleiches Geld" koordiniert. Vor allem Beschäftigte in der kriselnden Autoindustrie seien von dem Job-Abbau betroffen.
Wer zuerst kommt, geht zuerst
Auch Ludger Hinsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) in Berlin, räumt ein, dass sich die Krise auf seine Branche auswirkt: "Wir haben tatsächlich Entlassungen in der Zeitarbeitsbranche." Eine Umfrage im Auftrag des BZA aus dem Juni hat bereits ergeben, dass die Einschätzungen der Mitgliedsunternehmen skeptischer wurden: Der Anteil derjenigen, die einen wachsenden Personalbestand erwarteten, war gegenüber dem Vorjahr von 65,6 Prozent auf 39,3 Prozent gesunken. Zum Zeitpunkt der Umfrage war die aktuelle Krise allerdings noch gar nicht abzusehen.
Hartmut Seifert, Experte für Arbeitsmarktforschung bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, rechnet ebenfalls mit massivem Stellenabbau. In Boom-Phasen seien Zeitarbeiter die ersten, die wieder eingestellt würden, erklärt Seifert: "Im Abschwung sind sie aber auch die ersten, die entlassen werden. Leiharbeit ist auch ein Konjunkturpuffer." Grundsätzlich sei es für eine Zeitarbeitsfirma kein Problem, für einen Mitarbeiter eine andere Stelle zu finden, wenn die bisherige wegfällt. Dies funktioniere allerdings nicht, sobald eine ganze Branche von einer tiefgreifenden Krise betroffen ist: "Wenn die Verleihfirmen keine Alternativen haben, dann können sie das nicht ausgleichen."
Auf Grund der wirtschaftlichen Lage ermöglicht die Bundesagentur für Arbeit jetzt auch Zeitarbeitsunternehmen, Kurzarbeitergeld zu beantragen. Dies war der Branche bislang verwehrt.
Ein Viertel darf bleiben
Wirtschaftskrise hin oder her: Ob Zeitarbeit tatsächlich ein Job-Motor sein kann, ist zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften heftig umstritten. Eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft im Auftrag des BZA ergab, dass ein Viertel der Zeitarbeiter vom jeweiligen Betrieb übernommen werden. Weitere 20 Prozent bekommen von einem anderen Arbeitgeber nach der Zeitarbeit einen festen Job. Eine Untersuchung der Böckler-Stiftung hingegen besagt, dass Leiharbeit die Stammbeschäftigten verdrängt: Demnach wurden zwischen 2005 und 2007 in etwa einem Viertel der Betriebe regulär Beschäftigte durch Leiharbeiter ersetzt.
Arbeitnehmer, die nun wegen der Wirtschaftskrise vom Zeitarbeitsunternehmen entlassen werden, sollten die Kündigung genau prüfen, empfiehlt Jörg Weigand: "Grundsätzlich haben Leiharbeiter bei einer Kündigung die gleichen Rechte wie andere Arbeitnehmer. Sie können sich also vor dem Arbeitsgericht dagegen wehren." Der gesetzliche Kündigungsschutz gelte aber erst bei einer Arbeitszeit von mindestens sechs Monaten.